Waldkraiburg – „Stärkung der Basiskompetenzen und der individuellen Förderung“ – so umschreibt das bayerische Kultusministerium die Ziele der neuen Stundentafeln an Bayerns Grundschulen. Im Lesen, Schreiben und Rechnen sollen die Grundschüler gestärkt werden, den Schulen sollen die neuen Stundentafeln mehr Freiraum zur Flexibilisierung lassen.
Basiskompetenzen bei Malen und Werken
Deshalb müssen Bayerns Grundschüler aber nicht mehr Stunden pro Woche die Schulbank drücken. Um Mathematik und Deutsch mehr Raum zu schaffen, werden Kunst, Gestalten und Werken sowie Musik zu einem Verbundfach zusammengelegt. Damit geht Zeit für jedes einzelne Fach verloren. Bei Religion und Englisch, über die im Vorfeld hitzig diskutiert worden ist, ändert sich nichts.
Die richtige Antwort nach der Pisa-Schlappe? Waldkraiburgs Grundschul-Rektorinnen haben dazu eine klare Meinung. „Es ist gut, die Basiskompetenzen zu stärken. Dies aber zulasten der kreativen Fächer zu machen, sehe ich kritisch“, sagt Ruth Linsmeier von der Goethe-Grundschule. Vor allem schwächere Kinder würden einen Ausgleich brauchen, beim Malen und Werken würden sich Kinder gerne ausdrücken. „Damit schaffen wir auch Basiskompetenzen, viele Kinder können im Grundschulalter nur schwer mit einer Schere umgehen.“
Jetzt die Kinder verstärkt mit Deutsch- und Mathematik-Inhalten zu überschütten, löse die Probleme nicht: „Kinder sind keine Lernmaschinen.“ Viel wichtiger wären kleinere Klassen. Aber angesichts des Lehrermangels sei das kaum umsetzbar.
Laut Lydia Partsch schlägt das Kultusministerium aber einen anderen Weg ein: „Die Klassen sollen erst bei 28 Schülern geteilt werden“, sagt die Schulleiterin der Graslitzer-Grundschule. Mit einer Unterrichtsstunde mehr Deutsch und Mathematik werde es keine schlaueren Kinder geben, es brauche andere Rahmenbedingungen. „Mehr Personal und kleinere Klassen.“ In den Grundschulen habe man es mit Extremen zu tun: sehr begabte Schüler, aber auch Schüler, die sich schwertun. „Man kann in den Schulen nicht das auffangen, was das Elternhaus nicht leisten kann.“ Die neuen Stundentafeln nach dem Ergebnis der Pisa-Studie bewertet Lydia Partsch als „Schnellschuss“. Nun werde sehr schnell von oben nach unten gehandelt, ohne genauen Plan. „Alle Fächer haben ihre Berechtigung, auch die kreativen Fächer sind wichtig.“ Ganzheitliches Lernen nach der Maxime: „Mit Kopf, Herz und Hand“.
Unangetastet bleibt bei den neuen Stundentafeln das Fach Religion, Ministerpräsident Markus Söder hatte im Vorfeld ein Machtwort gesprochen. Statt kürzen, würde Lydia Partsch beim Religionsunterricht an anderer Stelle ansetzen: „Reformieren. Es bräuchte eine Werte-Erziehung, die für alle Kinder gleich ist.“ Ethik-Unterricht für alle anstelle von Religion.
Spielraum beim Religionsunterricht hätte auch Annette Gibis, Rektorin an der Diesel-Grundschule, gesehen. „Drei Stunden Religion im Vergleich zu jeweils sechs Stunden Mathematik und Deutsch in der vierten Klasse – das steht nicht im Verhältnis.“ Zwei Stunden würden reichen, sagt sie, stellt aber gleichzeitig klar, dass der Religionsunterricht nicht nur Inhalte, sondern auch Werte und Gefühle vermittle.
Kreativität darf nicht
gekürzt werden
Dass an den kreativen Fächern Stunden eingespart wird, ist für Annette Gibis nicht der richtige Weg. „In den kreativen Fächern können auch die schwächeren Schüler ihre Stärken haben. Dass hier gekürzt wird, ist fragwürdig.“ Schließlich habe jedes Kind seine individuellen Fähigkeiten. Sie bedauert es, dass der künstlerische Bereich niedriger eingestuft werde.
Anstatt die Kreativität einzubremsen, sollte man ihrer Meinung nach an anderer Stelle ansetzen: „Die Lehrpläne müssten entschlackt werden, um mehr Zeit zum Üben, mehr Zeit für die Basics zu haben.“