Wasserburg – Gestern, Mittwoch, 8.30 Uhr in der Warenannahme der Romed-Klinik Wasserburg: Oberärztin Dr. Julia Härtl, mit gelb leuchtender Schutzweste, steht heute nicht im OP der Gefäßchirurgie, sondern koordiniert eine Maßnahme, die ebenfalls über Leben und Tod entscheiden kann: die Notstromversorgung im Falle eines Blackouts.
Das ist die Horrorvorstellung eines jeden Patienten: auf dem OP-Tisch zu liegen, angeschlossen an Überwachungs- oder gar an einem Beatmungsgerät – und der Strom fällt aus. An diesem Vormittag im Großklinikum, das Romed Wasserburg und kbo-Inn-Salzach-Klinikum (ISK) unter dem Dach eines Neubaus vereint, passiert genau dies: aber kontrolliert.
Trotzdem ist Härtl aus der Mannschaft mit dem sperrigen Namen „Krankenhausalarm-Einsatzplanungsteam“, und Alexander Deutsch, technischer Leiter am Romed-Standort Wasserburg, die Anspannung ein wenig anzumerken. Denn heute wird ein echter Ernstfall geprobt: Blackout, außerdem Ausfall einer der beiden Notstromaggregate, also quasi der „worst case“ einer Störung in der Stromversorgung.
In der Ebene vier der neuen Romed-Klinik wirken die Verantwortlichen unaufgeregt, aber auch sehr fokussiert. Allen voran Andreas Voitl, Leiter der Elektrowerkstatt im kbo-Inn-Salzach-Klinikum (ISK). Das dortige Technikteam trägt die Hauptverantwortung dafür, dass es klappt mit der Notversorgung. Hauptstrom-Abnehmer im gemeinsamen Haus mit einem Jahresverbrauch von rund 1,9 Gigawatt (2024) ist jedoch nicht das psychiatrische Fachkrankenhaus, sondern die Romed-Klinik. Kein Wunder: Medizinische Hochleistungsgeräte wie der Kernspintomograf und die Computertomografie sowie der hochmoderne Hybrid-Operationssaal sind große Stromfresser, berichtet Härtl.
Deshalb sei es für Romed Wasserburg wichtig, dass die Kommunikation mit dem Partner-Krankenhaus ISK funktioniert. Das tut es, wie die Besprechung am Morgen zeigt. Für Außenstehende ist nicht auszumachen, wer zu welcher Klinik gehört, so gut versteht sich das Team. „Bei uns klappt viel über ganz kurze Wege“, sagt Härtl. Zum Team des Testlaufs, ausgerüstet mit Checklisten, gehört auch Romed-Oberarzt Dr. Max Speulda, außerdem vor Ort sind die ISK-Techniker Georg Lunghammer und Georg Leineweber.
Den entscheidenden Schritt vollzieht Voitl: Er legt in der Hochspannungs-Anlage den Schalter um, der schon aufgrund seiner Größe seine Bedeutung symbolisiert, eine Aktion, für die er sich mit Schutzkleidung und Helm ausstatten muss. Punkt 9 Uhr gehen vier Teammitglieder vor dem Aufzug in Position. Er wird auf Ebene vier angehalten, denn eine Liftanlage ist störanfällig. Die Gefahr, dass jemand in den wenigen Sekunden des Tests steckenbleibt, ist nicht von der Hand zu weisen, wie sich noch zeigen wird.
Dann legt Voitl den Schalter um, es wird dunkel. Sechs Sekunden lang. Härtl und Speulda halten sichtbar den Atem an, während sie in den halboffenen Aufzugstüren stehen. Regungslos, voller Anspannung. Doch dann wird es wieder hell. Die Übungsleiterin strahlt. Die Aggregate haben die Versorgung übernommen. Härtls Handy klingelt, die ersten Nachrichten aus den Stationen und Abteilungen treffen ein. „Hat sehr gut geklappt“, lautet ihr Fazit, „tippi-toppi“. Jetzt kann sie wieder strahlen.
Doch die Chirurgin will sich selber ein Bild machen und beginnt mit ihrer Tour durchs Haus, von Station zu Station. Auch in der Geburtsklinik, wo die Notstromversorgung unter anderem für ein lebenswichtiges Gerät da ist: am Kinder-Reanimationsplatz.
Kollege Speulda ist bereits unterwegs zu einem besonders wichtigen Ort: den OP-Sälen. Hier sind die Operationen weitergegangen, ohne dass es die arbeitenden Teams bemerkt haben. „Da flackern nicht mal die Lampen“, berichtet Härtl.
Auch auf der Intensivstation und beim Herzalarm gibt und darf es nicht einmal für eine Sekunde eine Unterbrechung der Versorgung geben, schließlich laufen hier unter anderem Beatmungsgeräte. Hier wird die Stromversorgung ebenso wie in den Operationssälen von starken Batterien mit Blei-Akkus lückenlos übernommen, berichtet das Team. Auch der CT funktioniere immer, der Kernspintomograf werde weiter gekühlt. Doch dann gibt es noch einen kleinen Zwischenfall: „Ein Aufzug motzt“, wie Härtl feststellt. Drinnen sitzt ausgerechnet Kollege Speulda fest. Ein Knopfdruck und er ist befreit. Speulda nimmt es mit Humor. Und auch Patienten, die die Aufzüge nutzen möchten, reagieren gelassen, als es heißt, sie sollten vorsichtshalber lieber die Treppe benutzen oder sich etwas gedulden. Wer genau hinschaut, sieht, dass sich etwas verändert hat: Das Licht ist kaum wahrnehmbar etwas schwächer, in den Gängen leuchtet während der Notstrom-Phase nur etwa jede zweite Lampe, so Härtl.
Nach einer Stunde ist der Spuk vorbei. Die meisten haben es jedoch gar nicht bemerkt. Den beiden Aggregaten zum Dank, die mit einer Leistung von je 1000 Kilowatt den Notstrom produzieren. Die Checklisten sind ausgefüllt, die Abschlussbesprechung fällt positiv aus. „Wir haben heute die größte anzunehmende Katastrophe beim Blackout durchgeprobt“, bringt Voitl den Testfall auf den Punkt. Ihn erreichte nur ein Anruf vom Krankenhauspersonal, das über die Übung informiert und vorbereitet war.
Ein Mittwochmorgen wurde nach seinen Angaben bewusst ausgewählt: Dann läuft das Klinikum in Volllast. Würde sich ein Problem herausstellen, könnte es an den beiden folgenden Werktagen noch behoben werden, so Voitl.