An diesem letzten Tag vor dem Start der Wiesn sind bemerkenswerte Dinge passiert. Zum einen hat die Gesellschafterversammlung des MVV eine Entscheidung über eine Erhöhung der Preise für Fahrkarten vertagt. Selbst langjährige ÖPNV-Experten können sich nicht daran erinnern, wann dies zuletzt passierte. Traditionell werden die Erhöhungen immer unmittelbar vor dem Start des Oktoberfestes bekannt gegeben. Und noch etwas Bemerkenswertes ist passiert: Dem Vernehmen nach haben OB Dieter Reiter (SPD) und Bürgermeister Josef Schmid (CSU) am Freitag den Schulterschluss gesucht. Seit an Seit fochten die Vertreter der Stadt zunächst für eine Nullrunde und schließlich – so ist es überliefert – hätten sich beide heldenhaft zumindest für eine moderate Erhöhung eingesetzt. Selbst langjährige Experten können sich nicht daran erinnern, wann es zuletzt diese Eintracht gab.
Wie zu erfahren war, sind die Verhandlungen festgefahren. „Dass nun die Gespräche vertagt wurden, zeigt, wie groß der Widerstand ist“, sagt ein Insider. Offenbar sind Freistaat und Deutsche Bahn mit einer Forderung von 3,5 Prozent Erhöhungen in die Verhandlungen gegangen. Schmid und Reiter hatten sich zunächst für eine Nullrunde starkgemacht. Zuletzt lagen die Wünsche von Stadtspitze und Freistaat aber wohl zu weit auseinander. Reiter und Schmid kämpfen demnach für eine Eins vor dem Komma, die Rede ist von 1,4 Prozent. Die Forderungen der Bahn sollen noch deutlich im Zweier-Bereich liegen.
Im vergangenen Jahr hatte die Gesellschafterversammlung die Preise im Schnitt um 2,9 Prozent angehoben. Deutsche Bahn und Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) argumentieren, dass die Erhöhungen notwendig sind. Mit den Mehreinnahmen soll der Ausbau des Angebotes finanziert werden: neue Fahrzeuge und Linien. Wirtschaftsreferent Schmid allerdings hatte betont, die Lebenshaltungskosten seien in München im Vergleich mit anderen Städten relativ hoch. Und die Stadt habe nur wenige Möglichkeiten, darauf Einfluss zu nehmen – etwa die Ticketpreise. Die Erweiterung des Angebotes lasse sich auch durch die mehr verkauften Tickets finanzieren. OB Reiter sieht das wohl ähnlich. Beide sitzen als Vertreter der Stadt in der Versammlung, die alljährlich über Tariferhöhungen entscheidet.
Weitere Gesellschafter des Verbundes sind Freistaat und Deutsche Bahn sowie die acht Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen, Dachau, Ebersberg, Erding, Freising, Fürstenfeldbruck, München und Starnberg. Auch deren Vertreter sind aufseiten der Stadt: „Eine Nullrunde kriegen wir nicht hin, das ist unrealistisch“, sagte einer der Landräte unserer Zeitung. Aber eine deutliche Eins vor dem Komma müsse sein. „Wir müssen unseren Kundeneine Verschnaufpause gönnen.“
Im bundesweiten Vergleich jedoch fällt auf, dass offenbar in München bei Tariferhöhungen immer deutlich stärker zugeschlagen wird als andernorts. Der Hamburger Verkehrsverbund hat die Preise jüngst um 1,2 Prozent angehoben, der Verkehrsverbund Rhein-Sieg in Köln um 1,1 Prozent, der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr in Düsseldorf und der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart jeweils um 1,9 Prozent. Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg fährt sogar eine Nullrunde. Matthias Korte, Sprecher der MVG, betont allerdings: „Ein Vergleich mit anderen Verkehrsverbünden ist mit großer Vorsicht zu genießen. Die Ausgangslage ist in jedem Verbund anders, etwa was den Ausbau- und Erneuerungsbedarf betrifft, aber auch die Finanzierungsstrukturen.“ Die MVG sei nicht auf Gewinnmaximierung ausgelegt. „Wir verlangen von unseren Kunden nur so viel Geld, wie wir zur Finanzierung unseres Angebots und den Ausbau des Nahverkehrs benötigen. Wir verdienen uns keine goldene Nase.“ Die Entscheidung über die Erhöhung könnte am 29. September fallen. Dann treffen sich die Verhandlungspartner erneut.