Es sind stürmische Zeiten, die die CSU gerade durchlebt. Und für Parteichef Seehofer deutet sich nun auch Gegenwind aus dem Bezirksverband München an. „An der Basis rumort es“, erklärt Josef Schmid. „Und zwar nicht nur in Franken, auch in Oberbayern“, fügt Schmid, Bürgermeister der Landeshauptstadt und einer von vier stellvertretenden Bezirksvorsitzenden, an. Was die Personaldebatte betrifft, interpretiert Schmid die Gefühlslage der Münchner Parteimitglieder so: „Das geht eindeutig in Richtung Söder.“ Schmid sagt zugleich, er selbst wolle sich an solchen Debatten nicht beteiligen.
Eindeutig positioniert hat sich die Vorsitzende der Arbeitnehmerunion (CSA), Sabine Pfeiler, die kraft ihres Amtes auch dem Bezirksvorstand angehört. Die Stadträtin meint: „Nur wenn die CSU klare Positionen bezieht, wird es möglich sein, das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen. Zu dieser Kurskorrektur gehört auch ein personeller Neuanfang an der Parteispitze.“ Nach Informationen unserer Zeitung stellt diese Sicht bei Weitem keine Einzelmeinung innerhalb der Münchner CSU und auch der Stadtratsfraktion dar. Aus Insiderkreisen ist zu hören, viele Münchner Parteimitglieder sprächen sich für eine Ablösung Seehofers aus.
Nach Meinung Pfeilers ist das „unbefriedigende Wahlergebnis insbesondere auf einen Schlingerkurs der CSU-Parteispitze zurückzuführen“. Das habe langjährige Wähler enttäuscht. Pfeiler: „Es braucht klare Richtlinien bei den Themen Migration und innere Sicherheit. Versprechungen an den Bürger müssen eingehalten werden.“ Zugeständnisse bei den Koalitionsverhandlungen im Bundestag dürften bei diesen Kernforderungen der Partei nicht gemacht werden. Das unterstreicht auch der CSU-Fraktionschef im Stadtrat, Manuel Pretzl, der sich gleichwohl nicht an der Personaldebatte beteiligen will. Pretzl betont, die Obergrenze bei der Zuwanderung dürfe nicht verhandelbar sein. Zwei weitere Punkte sind für Pretzl wichtig: „Diesel-Fahrverbote sollten mit der CSU nicht machbar sein, und wir müssen auf unsere Forderung nach einer Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderfreibetrags pochen.“ Pretzl ist eher pessimistisch, was die Koalitionsverhandlungen mit Grünen und FDP betrifft. Er glaubt vielmehr, „dass die SPD irgendwann zur Besinnung kommt“. Das schlechte Wahlergebnis der CSU sei nicht etwa auf falsche Forderungen zurückzuführen, „sondern wir konnten diese nicht durchsetzen“. Dies habe den Nimbus und die Stärke der CSU untergraben. Merkel habe gemacht, was sie wollte.
Ähnlich hatte sich schon am Wahlabend Georg Eisenreich, stellvertretender Bezirksvorsitzender und Staatssekretär im bayerischen Kultusministerium, geäußert. Es sei ein strategischer Fehler gewesen, „sich an Merkel anzubiedern“. Viele CSU-Wähler seien bei den Themen Sicherheit und Zuwanderung enttäuscht worden. „Das muss man offen diskutieren und darf nicht zur Tagesordnung übergehen“, erklärte Eisenreich, der als Seehofer-Kritiker und Söder-Freund gilt.
Bürgermeister Schmid sagt, die Münchner Parteimitglieder hätten Söder als „klugen und weitsichtigen Mann“ kennengelernt, der politische Sachverhalte zuspitzen könne. Söder war 2016 und heuer beim Neujahrsempfang der Münchner CSU gefeiert worden. Seehofer hatte die Münchner CSU und ihren Bezirkschef Ludwig Spaenle hingegen zuletzt brüskiert, als er sich in einem Schulterschluss mit OB Dieter Reiter (SPD) für den Bau der Tram durch den Englischen Garten einsetzte. Dieses Projekt hatte insbesondere Kultusminister Spaenle stets abgelehnt. Spaenle selbst war am Freitag nicht für eine Stellungnahme erreichbar.