Statistik

Von Verkehrswende keine Spur

von Redaktion

Von Klaus Vick

Das Auto ist der Deutschen liebstes Kind. Offenbar gilt diese These nach wie vor auch für München: Nach Auswertung aktueller statischer Daten kommt die Stadt zu einem ernüchternden Fazit: „Eine wirkliche Trendwende vom eigenen Fahrzeug hin zu umweltfreundlichen Alternativen ist gegenwärtig noch nicht erreicht“, heißt es. Und das zu einem Zeitpunkt, da allseits über schlechte Luftqualität und die große Verkehrswende diskutiert wird. Die Stadt platzt aus allen Nähten, erstickt im Stau und offenbar auch an ihrer wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte. Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs hingegen hinkt weit hinterher.

Die neuesten Zahlen über die Entwicklung des Kfz-Bestandes in München, die unserer Zeitung vorliegen und kommende Woche dem Stadtrat vorgestellt werden, geben jedenfalls Anlass zur Sorge. Mit dem Einwohnerwachstum kommen auch immer mehr Autos in die Stadt. Die dafür zur Verfügung stehende Straßenfläche wächst aber nicht. Im Vorjahr – von Ende 2015 bis Ende 2016 – stieg der Anteil der Kfz prozentual mit 2,5 Prozent sogar stärker als die Einwohnerzahl (1,5 Prozent). 813 592 Autos waren Ende 2016 registriert, 2005 waren es noch knapp 668 000. Verkehrswende? Mitnichten. Besonders die Anmeldung gewerblicher Fahrzeuge schnellte in diesem Zeitraum um 49 Prozent nach oben, während der private Kfz-Bestand nur um elf Prozent zunahm. Zwei Drittel der Autos in München sind auf Männer zugelassen, ein Drittel auf Frauen.

Statistisch gesehen hat sich seit 2005 so gut wie nichts am Mobilitätsverhalten der Bürger geändert: Immer noch ist das Verhältnis so, dass auf 2,2 Einwohner (unter Abzug der Minderjährigen) ein privates Kraftfahrzeug kommt.

Was die Altersstruktur betrifft, hat die Stadt im Beobachtungszeitraum von 2005 bis 2015 einen etwa gleichbleibenden Kfz-Bestand bei den Jüngeren (18 bis 34 Jahre) festgestellt. Bei den 35- bis 44-Jährigen gibt es sogar einen Rückgang zu verzeichnen, während die Statistik ab einem Alter von etwa 45 Jahren kontinuierliche, teilweise sogar hohe Zunahmen belegt. Als Grund erkennt die Stadt, dass der eigene Kfz-Besitz hier offensichtlich im Sinne eines Statussymbols einen höheren Stellenwert besitzt. Auch hätten viele Bürger dieser Altersklasse „einen gewissen Lebensstandard“ erreicht.

Immerhin lässt sich eines feststellen: 2005 kamen auf 1000 Einwohner noch 409 private Kraftfahrzeuge, 2015 waren es 383. Ein leichter Trend in Richtung anderer Mobilitätsformen ist also festzustellen, wenngleich der drastische Einwohnerzuwachs diese Entwicklung konterkariert. Interessant ist, dass gerade im Bereich innerhalb des Altstadtrings der Bestand mit 454 Fahrzeugen höher ist als im Rest des Stadtgebiets.

Der Einwohnerzuwachs betrug in absoluten Zahlen von 2015 auf 2016 etwa 22 000 Neubürger. Mittlerweile leben knapp 1,6 Millionen Menschen in München, bis 2030 sollen es bereits 1,8 Millionen Menschen sein. Zum Vergleich: 2005 wohnten erst knapp 1,3 Millionen Menschen in der Landeshauptstadt. Binnen einer Dekade ist also eine Stadt von der Größenordnung Augsburgs dazugekommen.

Zum Mobilitätsverhalten der Bürger zieht die Stadt ein gespaltenes Resümee: „Die Auffassung, dass die jüngere Bevölkerung tendenziell eher auf die Anschaffung eines eigenen Autos verzichtet und auf alternative, umweltfreundliche Verkehrsmittel oder Carsharing umsteigt, kann anhand der Datenlage nicht bestätigt werden.“ Vielmehr zeichne sich ein Bild, dass der Besitz eines eigenen Fahrzeugs wohl auch die Lebenssituation junger Großstadtmenschen widerspiegele. Die permanente Verfügbarkeit eines Privatautos spiele zum Erhalt der eigenen Mobilität weiterhin eine nicht zu unterschätzende Rolle, heißt es. Nur ein gewisser Teil der Bevölkerung habe sich aus Gründen des Umweltschutzes zu einem Verzicht auf das eigene Auto entschlossen, so die Erkenntnis des Planungsreferats.

Artikel 4 von 7