Dunkelblonde Haare, kräftige Statur, unrasiert: Am Samstag um 11.44 Uhr nehmen zivile Fahnder der Polizei einen Mann, der so aussieht, an der Ottobrunner Straße fest. Wie sich später herausstellt, heißt der 33-Jährige Patrick H. – und er hat eine wahre Blutspur durch Münchens Osten gezogen. 500 Beamte haben daraufhin nach ihm gefahndet. „Es wurde sehr ernst genommen“, sagt der neue Chef der Mordkommission, Josef Wimmer, am Tag danach.
Etwa drei Stunden hält der Messerstecher, der eine schwarze Hose, grüne Trainingsjacke und einen Rucksack mit Isomatte bei sich hat und auf einem schwarzen Fahrrad unterwegs ist, die Polizei in Atmen. Wie die später bekannt gibt, verletzt er mit einem Messer mit feststehender Klinge – das nicht verboten ist – acht Menschen: sechs Männer, einen Bub (12) und eine Frau.
Kurz nach 8.30 Uhr gehen die ersten Notrufe bei der Polizei ein: Ein Unbekannter ist nahe dem Paulanerplatz mit einem Messer unterwegs, greift wahllos Menschen an, heißt es. Die Notrufe wecken Erinnerungen an den Amoklauf im Juli 2016, bei dem der 18-jährige David S. neun Menschen und sich selbst tötete.
Die Polizei ruft die Anwohner über den Kurznachrichtendienst Twitter auf, in ihren Häusern zu bleiben und die Umgebung zu meiden. Daran halten sich viele. Doch an diesem Samstag läuft der Verkehr weitgehend reibungslos weiter, die Geschäfte bleiben geöffnet. Polizeipräsident Hubertus Andrä lobt die Bevölkerung: „Was für uns auch von ganz großer Bedeutung war, das war die besonnene und überlegte Reaktion der Münchner. Es war keine Panikreaktion. Es gab zwar ein erhöhtes Notrufaufkommen, aber auch das hielt sich in Grenzen.“
In den sozialen Netzwerken wird während der Fahndung der Polizei heftig über eine vermeintlich ausländische Herkunft des Täters spekuliert. Bis die Polizei klarstellt: „Geburtsland ist Deutschland.“
Patrick H. ist vor etwa drei Monaten nach München gekommen. Ursprünglich stammt der 33-Jährige aus Nordrhein-Westfalen, studierte nach eigenen Angaben Chemie. Einen festen Wohnsitz hat der junge Mann in München nicht, schläft mal hier, mal da, meist irgendwo an der Isar. Er sagt, München sei ein „positives Energiezentrum“. Eine Postadresse führt zur Teestube an die Zenettistraße, einer sozialen Einrichtung. Bei der Polizei macht er nach seiner Festnahme wirre Angaben. Offenbar leidet er unter Verfolgungswahn. Er habe sich von einer Familie verfolgt und bedroht gefühlt, sagt Patrick H. bei seiner Vernehmung. Die Menschen, die er attackierte, ordnet er teilweise dieser „Familie“ zu. Genaue Details zu dieser kann er allerdings nicht angeben. Erst der Lärm eines Hubschraubers habe ihn „gestört“. Danach habe er aufgehört. Patrick H. ist der Polizei bereits wegen gefährlicher Körperverletzung, Diebstahls und Drogendelikten bekannt.
Mehrere Menschen bekamen die Attacken des 33-Jährigen mit und versuchten, zu helfen. So wie der 28-jährige Detektiv Yücel Sevket und der Malermeister Orhan Kiper (31) aus Bad Tölz, der am Samstag in der Früh in einer Privatwohnung an der Gallmayerstraße nahe dem Rosenheimer Platz streichen sollte. Er war am Wochenende zu Besuch bei einem Freund. Plötzlich hörte der junge Mann Schreie vor dem Fenster. Er ging sofort ans Fenster und sah nach draußen. Dort erblickte er einen Mann mit Kinderwagen und einen weiteren Mann, die sich lautstark stritten. „Der Mann mit Kinderwagen blutete oberhalb des Auges“, berichtet Sevket. Der 28-Kährige öffnete das Fenster und schrie hinaus: „Warum streitet ihr euch?“ Daraufhin sei der Täter mit seinem Fahrrad geflüchtet. Erkannt habe er ihn nicht richtig. „Nur von hinten.“ Ohne lange nachzudenken, kletterte der 28-Jährige auf das Fenstersims der Hochparterre-Wohnung und sprang nach draußen. Yücel Sevket und Orhan Kiper verfolgten den Täter – erwischten ihn aber nicht. Kiper ist wenig später noch schockiert: „Das war eine „ganz schreckliche“ Situation.“