„Ich habe es noch immer nicht ganz begriffen“

von Redaktion

Jan Hartwig vom „Atelier“ im Bayerischen Hof hat den dritten Michelin-Stern bekommen und zählt nun zu den ganz Großen der Köche-Zunft

Er ist der Shootingstar der deutschen Gastro-Szene: Jan Hartwig, 35 Jahre, seit Dienstagabend stolzer Drei-Sterne-Koch. Wieder zurück in München haben wir ihn in der „Atelier Restaurant“-Küche im Hotel Bayerischer Hof angetroffen und mit ihm über den dritten Stern, sein Vorbild Eckart Witzigmann sowie sein Leibgericht „Schnitzel Milanese“ gesprochen.

-Herr Hartwig: Sie sind jetzt einer der besten Köche in ganz Deutschland. Haben Sie sich schon an den Gedanken gewöhnt?

Ehrlich gesagt: Ich habe es noch immer nicht ganz begriffen. Der zweite Stern vor zwei Jahren war schon krass, aber der dritte jetzt ist einfach unglaublich. Wahnsinn, wie viele Kollegen und Freunde mich innerhalb kürzester Zeit angerufen haben, um mir zu gratulieren. Auf Facebook hatte ich in den ersten Stunden nach der Veröffentlichung 500 neue Freunde sowie 3000 zusätzliche Follower auf Instagram. Die mediale Aufmerksamkeit ist unvorstellbar. Selbst als ich am Morgen in Berlin im Taxi zum Flughafen saß, ist über mich berichtet worden. Da fehlen mir einfach die Worte.

-Und wahrscheinlich der Schlaf? Wie haben Sie denn den dritten Stern gefeiert?

Mit einem Gala-Dinner und ganz viel Champagner. Es gab sechs Gänge von acht Spitzenköchen. Marco Müller hat Stockfisch mit Tomatentee, Tim Raue Kalb mit Topinambur und schwarzen Trüffel kredenzt. Mein Freund Christian Hümbs (Anmerkung der Redaktion: er ist auch Patissier im Atelier) war für das Dessert zuständig. Es war ein rauschendes Fest. Ich habe heute Nacht gerade mal zwei Stunden geschlafen. Und die Nacht davor war es auch nicht viel.

-Warum?

Ehrlich gesagt hatte ich die Hoffnung auf den dritten Michelin-Stern schon aufgegeben. Beim dritten wird man ja vorab informiert und zur Gala nach Potsdam eingeladen. Doch ich hatte bis Montag, 22 Uhr, nichts gehört. Jetzt wird es eng, dachte ich mir, doch dann hatte ich Frau Volkhardt (Anmerkung der Redaktion: Inhaberin des Hotels Bayerischer Hof) am Apparat und sie teilte mir mit, dass wir nach Berlin fahren.

-Wieder in München: Geht die Feier weiter?

Nein. Jetzt herrscht, irgendwie, wieder Alltag. Wir sind bis zum Jahresende im Atelier Restaurant komplett ausgebucht. Auch der Januar füllt sich rasend schnell. Wir haben ja auch nur 40 Sitzplätze pro Abend.

-23 Jahre hat es in München kein Drei-Sterne-Restaurant gegeben. Eckart Witzigmann gelang dies zuletzt im „Aubergine“. Wie fühlt sich das an?

In einer Stadt wie München den dritten Stern zu erkochen ist deshalb so besonders, weil hier Eckart Witzigmann die ersten drei Guide-Sterne Deutschlands überhaupt erkocht hat. Es ist eine Ehre, hier der Thronfolger zu sein. Ich habe mich sehr gefreut, dass sich Eckart Witzigmann gleich nach der Bekanntgabe bei mir gemeldet hat, um mich zu beglückwünschen.

-Was verbinden Sie sonst mit München?

Ich liebe München. Ich bin schon als Kind oft hier gewesen. Auf dem Weg in den Urlaub nach Österreich legte meine Familie hier immer einen Stopp ein. Später kam ich gerne wegen des Oktoberfests nach München. Mein Vater, ein gelernter Koch, ist in den 1970er-Jahren sogar einmal eigens für einen Abend mit seinem Polo nach München gefahren, um bei Witzigmann essen zu gehen. Dafür hatte er lange gespart.

-Sie kochen seit zehn Jahren auf Sterne-Ebene. Was hat sich in dieser Zeit verändert?

Wie beim Fußball ist auch in der Küche alles technischer, schneller, analytischer geworden. Die Jungs von Bundestrainer Jogi Löw spielen heute anders als die Elf von Berti Vogts einst. Sterneküche soll heute vor allem dem Gast Spaß machen. Die Tischkultur ist lockerer geworden, ohne jedoch unprofessioneller zu werden.

-Der Guide Michelin lobt Ihre Gerichte, weil sie über einen „geschmacklichen Tiefgang“ verfügen. Wie entwickeln Sie Ihre Gerichte?

Immer spontan. Ich habe überall in der Restaurant-Küche, zuhause auf dem Nachttisch und sogar in meiner Sporttasche kleine Notizheftchen deponiert. Da kann ich mir immer sofort meine Gedanken und Ideen notieren.

-Auf was freuen Sie sich nach der Sause in Potsdam jetzt am allermeisten?

Schlicht auf eine Stunde Spazierengehen an der Isar. Damit ich langsam begreife, was in den letzten beiden Tagen alles passiert ist.

-Wenn Sie nach Hause zu Ihren Eltern fahren, was muss es dann unbedingt zu essen geben?

Mein Vater macht das beste Schnitzel Milanese und meine Mutter den besten Lauchauflauf. Wenn diese beiden Gerichte auf dem Tisch stehen, weiß ich, ich bin zuhause bei meiner Familie in Niedersachsen.

Interview: Stephanie Ebner.

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