Ein kleiner Schnabel lugte irgendwann aus dem Kasten. Da wusste Mathias Brandstätter (57): Der Spatz ist zurück. 2009 hatte der Berg-am-Laimer den ersten Nistkasten an seinem Haus angebracht. Zwei Jahre später zog dann endlich das erste Paar ein und brütete.
Schon der Monaco Franze taufte seine Liebste „Spatzl“. Und so wie für den legendären Stenz in Helmut Dietls Serie, gehörte das unter dem offiziellen Namen Haussperling firmierende Vogerl für viele Münchner selbstverständlich zum täglichen Leben. Doch der Spatz ist in München weitgehend verschwunden.
Um rund die Hälfte dürfte die Population der Vögel in der Landeshauptstadt seit den 60er-Jahren zurückgegangen sein, schätzt Sylvia Weber vom Landesbund für Vogelschutz (LBV). Und der Spatz ist nicht der einzige typische Stadtvogel, der stark bedroht ist. Auch der Mauersegler, die Mehl- und die Rauchschwalbe und die Dohle sind kaum mehr zu sehen. Der LBV hat nun gemeinsam mit dem Umweltreferat Münchner wie Mathias Brandstätter ausgezeichnet, die solchen Gebäudebrütern Unterschlupf bieten.
Die Gründe für den Rückgang vieler Stadtvögel: Beim Sanieren von Häusern verschwinden Brutplätze, zum Fressen gibt es immer weniger Gräser, Getreide oder Insekten, Gärten werden immer steriler. Die Politik hat das Problem erkannt: Die Rathaus-SPD stellte im Mai den Antrag, die Stadt solle ein Rettungsprogramm für den Spatz starten. Ausgang: unklar. Der Antrag wird laut Planungsreferat noch bearbeitet. „Unsere Kinder sollen die Tiere ihrer Umwelt auch in Zukunft nicht nur aus dem Biounterricht kennen“, sagt auch Umweltreferentin Stephanie Jacobs. Deswegen arbeite man derzeit an einer Biodiversitätsstrategie. Auf Bürgerseite kann schon jetzt jeder, der etwa sein Dach saniert und gleichzeitig einen Nistkasten anbringt, mit städtischen Zuschüssen bis zu 1000 Euro rechnen. Die Stadt will ein Zeichen setzen in Sachen Vogelschwund. Doch wie genau ankämpfen gegen globale Phänomene wie das Insektensterben, die dem vorausgehen?
Manche Münchner versuchen es im Kleinen: lassen im Garten eine wilde Ecke mit Brennnesseln stehen, locken Schmetterlinge an. So wie Bettina Schiller (53) und ihre Mutter Johanna (83), ebenfalls ausgezeichnet vom LBV. Bettina Schiller brachte an ihrem Elternhaus in Obermenzing Nistkästen für Mauersegler an. Die Vögel hatten schon immer in dem Haus genistet, so Schiller. Doch mit einer Dachsanierung drohte die Vertreibung. „Das wollten wir nicht, die Mauersegler sind erstaunliche Tiere“, sagt sie. „Sie fliegen so weit und sind sehr zäh.“
Wie der volkstümliche Name Turmschwalbe schon zeigt, nisten die Vögel an sehr hohen Gebäuden, wie Weber vom LBV sagt. Der Vogel sei ein Super-Flieger, der in der Luft frisst. Anfang Mai kommen die Mauersegler aus Afrika zurück nach Europa: „Viele Menschen in München verbinden den Mauersegler mit dem Sommeranfang.“
Damit das so bleibt, müssen alle mithelfen, findet Klaus Berghofer von der Baugenossenschaft Hartmannshofen. Diese hat bei Sanierungen an ihren Häusern Einbausteine für Mauersegler anbringen lassen. Nicht alle Mitglieder hätten Verständnis dafür gehabt, so Berghofer. Doch als Baugenossenschaft hätten sie die Aufgabe, Wohnraum für alle zu schaffen. Mauersegler und Spatz eingeschlossen.