Bereits nach wenigen Minuten merkte der Münchner Taxifahrer Slobodan S. (49), dass mit seinem Fahrgast (82) irgendetwas nicht stimmte. Die alte Dame wirkte ängstlich und nervös, nannte zunächst ein falsches Fahrziel und erzählte eine unlogische Geschichte von einer fremden Frau in der Türkei, die unbedingt 1600 Euro benötige. Als sie die Filiale eines Moneytransfer-Unternehmens in Grünwald ansteuerte, war Slobodan S. klar: „Da ist was faul.“ Mit seiner netten Art gelang es ihm, das Vertrauen der Frau zu erlangen. Und bewahrte sie damit vor dem Verlust ihres Geldes.
3000 Trickbetrugs-Fälle wie dieser sind in den vergangenen zwölf Monaten bei der Münchner Polizei angezeigt worden. In 39 Fällen hatten die Täter Erfolg. Schaden: mehr als vier Millionen Euro – ein trauriger Rekord in der Münchner Kriminalgeschichte, dem Polizeivizepräsident Werner Feiler, Erster Kriminalhauptkommissar Uwe Dörnhöfer (Chef der Arbeitsgruppe Phänomene) und Oberstaatsanwältin Anne Leiding mit Aufklärung und aufwändiger Ermittlung entgegentreten. 20 Beamte und zwei Staatsanwälte arbeiten zur Zeit allein für diese Fälle.
Der alte Enkeltrickbetrug kam bereits Anfang des Jahres aus der Mode. Dafür floriert nun die Masche mit den falschen Polizisten (oder Staatsanwälten und Richtern). Die Haupttäter sitzen unerreichbar für die deutsche Justiz in türkischen Callcentern. Sie setzen die meist betagten Opfer mit Horrorgeschichten, etwa über kurz bevorstehende Einbrüche, derart unter Druck, dass die Senioren oft ihre ganzen Ersparnisse herausgeben – an fremde Leute, die sie für echte Polizisten halten.
In einem Fall händigte eine Seniorin den Tätern in diesem Jahr rund eine Million Euro aus. Doch meist geht es um fünfstellige Summen, und oft um die gesamten Ersparnisse eines langen Lebens. 26 Täter, meist die Geldabholer, konnte die Münchner Polizei fassen und 250 Taten im ganzen Bundesgebiet durch Überwachungsmaßnahmen gerade noch verhindern. Bankangestellte und Zeugen wie Taxifahrer Slobodan S. sind oft die letzten Glieder in der Kette, die Senioren vor diesem Unglück bewahren.
Von den Betrügern psychologisch geschickt manipuliert, können die Senioren falsche Polizisten nicht von der echten Polizei unterscheiden. Meist verbieten die Täter den Senioren sogar, über die bevorstehende Transaktion zu sprechen. So war es auch im Fall der 82-jährigen, der per Telefon mitgeteilt wurde, sie habe einen hohen Gewinn gemacht und müsse vor der Auszahlung 1600 Euro per Moneytransfer nach Istanbul überweisen. Slobodan S. und auch der Mann in der Bank rieten der Frau von dieser Überweisung ab. Überzeugt war sie noch lange nicht. Slobodan S.: „Ich musste sie ein bisschen überreden, dass wir jetzt zur Polizei fahren müssen. Ich habe das Taxameter abgestellt. Es sollte sie nichts kosten.“ Der Zufall wollte es, dass er am Straßenrand Polizisten bei der Geschwindigkeitskontrolle entdeckte. „Ich habe angehalten und den Beamten den Fall geschildert.“ Die Kripo kümmerte sich dann um die Seniorin. Erst da verstand sie, wie knapp sie dem Betrug entkommen war.
Das rät die Polizei
Gesundes Misstrauen ist immer angebracht, wenn man den Anrufer nicht kennt. Ruft ein Fremder unter der Nummer 089/110 oder 110 an, sollten Sie sofort auflegen und die echte Polizei anrufen. Wichtig: Benutzen Sie dabei nicht die Wahlwiederholungstaste, sondern tippen Sie die 110 selbst ein, denn sonst rufen Sie nur den Betrüger zurück. Die echte Polizei ruft nie unter dieser Nummer an und fragt auch nicht nach Ihren Vermögensverhältnissen. Lassen Sie sich aus dem Telefonbuch austragen. Und: Lassen Sie Fremde niemals in die Wohnung.