Mehr leuchtende Litfaßsäulen

von Redaktion

In der Altstadt und im Lehel sollen fünf Werbeträger umgesetzt und hinterleuchtet werden, der Bezirksausschuss stimmt nur teilweise zu

Es gibt wohl kaum einen Mann, dem so viele Denkmäler gesetzt sind: In ganz Deutschland gibt es über 60 000. Orte, an denen jeden Tag unzählige Menschen an der Erfindung des Berliner Druckereibesitzers und Verlegers Ernst Theodor Amandus Litfaß (1816–1874) vorbeiziehen: der Litfaßsäule.

Auch in München stehen über 1000 der Säulen, die Fußgängern die neueste Mode, schnellste Technik oder hippeste Veranstaltung verkaufen wollen. Oft werden die Plakate mühsam mit Leim an die Säulen gepappt. Bei moderneren befinden sich die Werbeplakate hinter Plexiglas, drehen sich und werden von innen beleuchtet. Besonders nachts sind die leuchtenden Röhren dann kaum zu übersehen. Das freut die Werbeindustrie natürlich, weswegen nun nach und nach ausgetauscht wird: alt gegen neu. Leim gegen Licht.

Der Bezirksausschuss (BA) Altstadt-Lehel musste sich nun mit der Erneuerung von fünf Säulen befassen. Grundsätzlich lehnt der BA die Aufrüstung und Erweiterung der Säulen ab. Videosäulen sowieso. Letztere gibt es in München im Gegensatz zu hinterleuchteten Säulen noch nicht. Der Stadtrat hatte 2012 das Aufstellen von 180 hinterleuchteten Säulen erlaubt, wovon inzwischen 150 realisiert sind.

Zähneknirschend erlaubte der Bezirksausschuss zumindest drei der fünf geplanten Umsetzungen von Litfaßsäulen, die in diesem Zuge gleich in hinterleuchtete ausgetauscht werden sollen. Die Umsetzung der Säulen wurde mit dem Denkmalschutz und der Verkehrssicherheit begründet. Entschieden wehrte man sich aber gegen die Verlegung von Säulen aus der Ludwigsvorstadt in den eigenen Bezirk.

Trotzdem wurde auch diskutiert: Gehören Litfaßsäulen nicht einfach zum Stadtbild? Muss sich München nicht im Vergleich zu Städten wie London oder Paris schämen, zu wenig Werbung zuzulassen? Kurzum: Braucht eine Stadt von Weltrang die leuchtenden Säulen, um zu zeigen: „Wir sind wer!“ Immerhin bewerben Firmen wie Ströer die Säulen als „urbanen Lifestyle“. Die Stadtviertelpolitiker kamen da zu keiner abschließenden Meinung.

Für die Stadt ist das Geschäft mit der drehenden Werbung lukrativ. Zwar werden nach Angaben des Wirtschaftsreferats Werbeanlagen kontinuierlich zurückgebaut, aber durch die Umwandlung in die werbetechnisch wirksameren Leuchtsäulen würden der Stadt keine Einnahmen entgehen – und somit der Bürger direkt profitieren. Über die Höhe der Einnahmen schweigt sich das Referat für Arbeit und Wirtschaft aber aus. Die höhere Aufmerksamkeit kostet freilich Strom. 1250 Kilowattstunden pro Jahr verbraucht eine Säule – etwa halb so viel wie ein Münchner, der alleine wohnt.

Vorgaben, was auf den Litfaßsäulen zu sehen ist, macht die Stadt keine. Einzig an Gesetze müssen sich Vertragspartner halten. Deswegen ist in Deutschland beispielsweise auch als einzigem Land in der EU Tabakwerbung erlaubt. Eine Gesetzesvorlage dagegen war noch vor Kurzem abgelehnt werden.

Also werden demnächst auch weiterhin in der Altstadt und im Lehel Menschen zum Kaufen aufgefordert. Dann aber mit Hintergrundbeleuchtung. tarek barkouni

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