„150 Jahre sind ein dickes Brett“ beginnt Paul Martin Cambeis seine Eröffnungsrede im Souterrain des Ägyptischen Museums. Cambeis ist der aktuelle Präsident der Münchner Künstlergenossenschaft (MKG). Anlässlich des Jubiläums hat der begnadete Comic-Zeichner ein eigenes Bild gemalt. Das Werk ist angelehnt an das epische Gemälde „Die Freiheit führt das Volk“ von Eugène Delacroix. Auf seiner Version zu sehen: Cambeis selbst als französische, männliche Marianne und Fahnenträger, der eine Revolution in das digitale Zeitalter anführt, neben vielen aktuellen und früheren Präsidenten der MKG, wie Nikos Dettmer oder Franz von Lenbach.
168 weitere zeitgenössische Werke gegenständlicher Kunst sind im Ägyptischen Museum seit Mittwochabend zu sehen. Neben Cambeis präsentieren dort die rund 100 Mitglieder der MKG erstmals in der jüngeren Vergangenheit ihre Gemälde und Skulpturen – auch um den Bekanntheitsgrad der MKG zu steigern.
Denn wer in seinem Freundeskreis über die MKG spricht, erntet fragende Blicke. Genossenschaft? „Ist das so etwas wie eine Sozialkasse?“, wird dann gefragt. Tatsächlich war das einer der Ur-Gedanken. Da es schon immer schwierig war, sich als Künstler zu etablieren und von Kunst zu leben, gründete sich 1856 die MKG, ab 1868 königlich privilegiert durch den „Kini“ Ludwig II., was als offizielles Gründungsdatum der MKG gilt. Der Sozialgedanke prägte die Vereinigung: „In guten Zeiten gemeinsam ausstellen, feiern, trinken, streiten und in schlechten Zeiten füreinander da sein und einander auffangen, auch finanziell“, sagte Paul Cambeis, während er sein Bild anlässlich des Jubiläums im Ägyptischen Museum erklärte.
Zu den Gründungs- und Urmitgliedern der MKG zählen Carl Spitzweg, Franz von Lenbach, Wilhelm Busch und Conrad Knoll. Münchner Künstler also, die auch nach ihrem Tod berühmt blieben, weil sie sich häufig in München verewigten.
Letzterer etwa, Knoll, gestaltete die Figuren des wahrscheinlich beliebtesten innerstädtischen Treffpunktes, den Brunnen am Marienplatz, direkt vor dem Neuen Rathaus. Im Volksmund ist er bekannt als „Fischbrunnen“.
Die heutige MKG verfügt also über ein bedeutendes Erbe – befindet sich jedoch im Wandel. Präsident Cambeis will die Organisation verjüngen und mit der Digitalisierung Schritt halten. „Bildrechte, Online-Präsenz, Marketing, Verkaufsgespräche: All das sollte ein Künstler heutzutage können, um auf sich aufmerksam zu machen. Und genau diese Fähigkeiten wollen wir fördern“, sagt Cambeis.
Die Ausstellung der 169 Kunstwerke im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst schließt am 25. Februar. Öffnungszeiten: Dienstag 10 bis 20 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10 bis 18 Uhr. Eine Auswahl der Künstler und ihrer Werke:
Ekaterina Zacharova, 49, Malerin der Kunstakademie Moskau. Bild: „High Life“ (Preis: 18 000 Euro)
„Die Szene habe ich so nie gesehen, aber den Ort gibt es, nahe dem Times Square in New York. Alles sollte abstrakt und surreal wirken. Und es steckt eine Psychologie dahinter: Die junge Frau in der Mitte schaut zuversichtlich in die Zukunft. Sie überholt den Mann und hängt ihn ab. Sie ist ehrgeizig und blickt nach oben. Dass ich MKG-Mitglied bin, ist mir sehr wichtig. Hier steckt sehr viel künstlerische Tradition drin.“
Woytek, 56, Bildhauer aus Tübingen, Skulptur „Pietà“ (Preis unbekannt)
„Die römische Pietà ist ja eine berühmte Skulptur von Michelangelo, über Leben, Tod und Transzendenz – genau meine Themen. Und diese weltberühmte Skulptur habe ich abstrahiert und neu aufgegriffen. Denn es ist so: Kunst ist immer Abstraktion und nie die Abbildung der Wirklichkeit. Mit dieser Einstellung habe ich innerhalb der traditionsreichen Münchner Künstlergenossenschaft Wertschätzung gefunden.“
Jutta Duschl, 62, Malerin aus München, Bild: Beobachten eines großen Brachvogels (Preis: 1250 Euro)
„Meine Bilder entstehen über einen langen Zeitraum. Manchmal beginnt alles mit einem einzelnen Strich. Das Bild mit dem Brachvogel habe ich über drei Monate hinweg gezeichnet. Ich wohne, lebe und zeichne in München. Da war es für mich nur logisch, Mitglied der Münchner Künstlergenossenschaft zu werden.“