Die GroKo-Frage spaltet die Münchner SPD. Bei einer Aussprache im Bundeswahlkreis München Süd am Donnerstagabend haben die Genossen dort intensiv über den nun vorliegenden Koalitionsvertrag diskutiert. Wie berichtet, will die Parteispitze die Basis abstimmen lassen, ob die SPD mit CSU und CDU in eine Große Koalition in Berlin einwilligt. „Zur Zeit steht es 50:50“, sagt ein Teilnehmer der Debatte.
Der Landtagsabgeordnete aus dem Süden, Florian von Brunn, ist sozusagen das personalisierte Dilemma der Münchner SPD. In dem nun vorliegenden Papier „haben wir einige Verbesserungen erreichen können, etwa bei den Themen Rente, Krankenversicherung und Pflege“. Alles Verbesserungen, die ohne die SPD nicht möglich gewesen wären. „Auch wenn es nicht der große Wurf ist, wenn wir den Mieterschutz nicht zu hundert Prozent erreicht haben, so haben wir doch Fortschritte gemacht.“ Daher sei von Brunn „selbst am Schwanken. Es ist keine Vision drin“. Die Frage sei aber, ob man diese kleinen Erfolge jetzt nehme oder sie aufgebe.
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sieht das im Grunde ähnlich. „Grundsätzlich enthält der Koalitionsvertrag durchaus wichtige und richtige inhaltliche Ansätze. Zum Beispiel im Bildungsbereich. Das ist jedenfalls mehr, als das Sondierungspapier erwarten ließ.“ München brauche jetzt Verbesserungen im Mieterschutz, mehr Unterstützung für den Wohnungsbau durch den Bund und für den ÖPNV. „Natürlich hätte ich mir als Münchner OB gewünscht, dass der Koalitionsvertrag ein noch höheres Maß an Verbindlichkeit enthält, gerade im Bereich des Mieterschutzes.“ Deshalb müsse es bei einer möglichen Regierungsbeteiligung darum gehen, die drängenden Themen schnell fortzuschreiben und gesetzlich verbindlich zu gestalten. „Das erwarten die Menschen von der Politik.“
Bei den Münchner Jusos ist die Sache klar: „Ich werde mit Nein stimmen. Und wir Jusos werden bis zum letzten Tag innerhalb der SPD dafür werben, dass uns möglichst viele folgen“, sagt Münchens Juso-Chef Christian Köning. „Wir sehen in dem Koalitionsvertrag keine Fortschritte in der Gesundheitspolitik und in der Abschaffung der Zwei-Klassen-Medizin.“ Und wenn man sich die sachgrundlose Befristung anschaue, helfe der Kompromiss jungen Menschen beim Berufseinstieg nicht weiter. „Und für die stehen wir.“
Die Jusos im Bund hatten dazu aufgerufen, jetzt noch in die Partei einzutreten, um die Koalition beim Mitgliedervotum noch zu verhindern. Das bescherte der Münchner SPD seit Januar fast 700 neue Mitglieder. Stadtrat Jens Röver, der SPD-Ortsvorsitzende in Sendling-Westpark: „Auch bei denen gibt es welche, die dafür stimmen werden, und welche, die dagegen sind.“ Bei der Debatte am Donnerstagabend im Wahlkreis Süd sei eine Vielzahl der Mitglieder noch unentschlossen gewesen. „Es wollen sich alle noch intensiv mit dem Vertrag beschäftigen.“ Eine Tendenz sei aber für eine Zustimmung zu erkennen.
Das glaubt Sebastian Roloff nicht. Der ehemalige SPD-Bundestagskandidat für den Münchner Süden will eher eine „leichte Mehrheit“ ausgemacht haben, „die dagegen war“. Begeistert sei vom Koalitionsvertrag niemand. Aber es gebe solche, die Solidarität mit der Parteispitze einfordern, und jene, die es nicht tun. „Für den großen Durchmarsch der Sozialdemokratie, wie ihn die CSU skizziert, halte ich das Papier aber nicht.“
Die Zerrissenheit der Partei ist der Vorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Claudia Tausend bewusst, „obwohl ich nicht von einer Spaltung sprechen würde“. Es gebe aber unterschiedliche Auffassungen über die Zukunft der SPD. „Die Gegner der GroKo haben Angst, dass das Sozialdemokratische nicht genügend herausgearbeitet wird. Dafür habe ich Verständnis.“ Die Alternative seien Neuwahlen. „Und die würden uns nicht helfen.“ Tausend hofft, dass es gelingt, die SPD-Handschrift in den vier Jahren sichtbar zu machen und gleichzeitig langfristige Projekte zu diskutieren und über zukünftige Personalien zu reden. „Beides muss möglich sein.“ Sascha Karowski