Starkbier-Rede

Vorsicht, bissiger Springer

von Redaktion

Der Kabarettist läutet die Starkbier-Saison im Löwenbräukeller mit einer deftigen Ansprache an die Politiker ein

Von Sarah Brenner

O’zapft is – mit dem Triumphator-Anstich am Freitagabend im Löwenbräukeller hat die Starkbierzeit begonnen. Nachdem Wirt Christian Schottenhamel das erste Fassl des „flüssigen Brotes“ mit zwei Schlägen angestochen hat, schenkt Kabarettist Christian Springer der bayerischen Polit-Prominenz ordentlich ein.

In roter Weste und blauem Sakko betritt Springer gegen 21 Uhr die Bühne, nimmt einen kräftigen Schluck und schmettert: „This is not Siko, this is Stabi.“ Auf gut (oder weniger gutem) Deutsch: „Ned Sicherheitskonferenz, sondern Starkbier.“ Ja, der empörte Münchner Weltbürger schießt sich vor allem auf ein Thema ein – Sicherheit und die damit verbundene Frage: Was um alles in der Welt ist in unserer heutigen Zeit eigentlich noch gerecht?

21.05 Uhr, zweiter Schluck Starkbier. Springer erzählt von Schlüsseldienst-Schweinereien: „Liebe Damen, kontrollieren Sie, ob er den Schlüssel dabeihat. Falls nicht, nehmen Sie aus seinem Geldbeutel 2438 Euro. So viel kostet der Schlüsseldienst bei uns. Das Gute daran ist: Solange wir in München noch einen Schlüsseldienst brauchen, heißt das, dass immer noch Menschen in München in einer Wohnung leben.“

21.10 Uhr: Springer kommt auf die Automobil-Lobby zu sprechen, poltert gegen OB Dieter Reiter: „So beliebt – und jetzt vergiftet er uns. Nix mehr Weltstadt mit Herz, München ist die giftigste Stadt in Deutschland.“ Auch der Noch-Zweite-Bürgermeister bekommt sein Fett ab: „Lieber Seppi Schmid, glauben Sie wirklich, dass Sie unterm Söder im Landtag einen Sitzplatz kriegen? Der kann Sie ja nicht mal als Türsteher für die CSU gebrauchen!“

21:15 Uhr: Die Stimme kratzig, das Blut in Wallung, jagt der 53-Jährige den Puls der Polit-Prominenz mit drastischer Wortwahl in die Höhe: „Herr Schmid, in der Praxis heißt das, wenn der österreichische Vizekanzler Strache in den Landtag kommt, dann gehen Sie nicht hin und begrüßen ihn mit: ,Schee, dass Du da bist, Du alte Neonazi-Schlampn.‘ Sondern sagen brav: ,Ach, so ein schönes österreichisches Burschenschafts-Liederbuch! Sind da auch Schlagzeugnoten drin?‘“ Gejohle, Beifall. Je später der Abend, je süßer das Bier, desto bissiger Springers Humor.

In seiner Rede frotzelt der Kabarettist allerdings nicht nur gegen die Stadtpolitik, Springer schlägt auch moralische und melancholische Töne an. Etwa, als er eine Obergrenze für die Immobilienspekulation fordert. „Was ist eigentlich so schwer daran zu kapieren“, fragt er, „dass ein Mensch ein Dach überm Kopf haben darf, sollte doch was Selbstverständliches sein!“

Gegen 22 Uhr verlassen die ersten Gäste den Saal. Beschwingt beschwipst die einen, mit gewaschenem Kopf und ernüchtert die anderen. Spätestens nachdem das Licht auf der Bühne gelöscht ist und der Staub, den Springer aufgewirbelt hat, sich gelegt hat, ist sich das Publikum sicher: Da hat einer die Messlatte für die Fastenpredigt der Bavaria auf dem Nockherberg verdammt hoch gelegt.

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