Reaktionen zum Groko-entscheid

„Die Chance für München nutzen“

von Redaktion

VON Klaus Vick

Rund 800 neue Mitglieder seit Jahresbeginn, eine rege Streitkultur – auch die Münchner SPD wurde in den vergangenen Wochen von der GroKo-Debatte in Atem gehalten. Aber vielleicht war die veröffentlichte Meinung doch ein wenig anders als das Stimmungsbild in der gesamten Partei. Die Jusos waren laut, viele GroKo-Befürworter eher leise. So zumindest interpretiert der SPD-Fraktionschef im Stadtrat, Alexander Reissl, das klare Abstimmungsergebnis von 66:34 Prozent. „Es gibt einen stummen Teil der Mitglieder, der sich trotzdem eine Meinung bildet“, sagt Reissl. Und wer wisse überhaupt, ob die zahlreichen Neueintritte nur aus der Motivation heraus erfolgt seien, die Große Koalition abzulehnen? Da kenne er auch andere Beispiele.

So deutlich hat der 60-Jährige das Votum dennoch nicht erwartet. Reissl selbst hat sich an der Abstimmung beteiligt und mit Ja gestimmt, obwohl er den Mitgliederentscheid eigentlich „unsinnig“ fand. Die SPD sei nicht basisdemokratisch aufgebaut, sondern repräsentativ. Dafür gebe es Parteitagsdelegierte. Aber wie auch immer, Reissl hat sein Kreuzchen gemacht, weil „die Lage zu brisant“ gewesen sei. Er hofft nun, dass die SPD künftig Entscheidungen gemeinsam vertreten werde. „Das Hintenherumreden in der Öffentlichkeit über handelnde Personen und das ständige Sägen an Stühlen müssen aufhören.“

OB Dieter Reiter hat ebenfalls für den Eintritt seiner Partei in eine Große Koalition gestimmt. Es müsse nun darum gehen, „möglichst schnell die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen und damit den Alltag vieler Menschen zu erleichtern“, erklärt das Stadtoberhaupt. Reiter denkt dabei etwa an Verbesserungen beim Mieterschutz und mehr Unterstützung durch den Bund für den Wohnungsbau und für den Öffentlichen Nahverkehr. Nach seinem Dafürhalten hat die SPD mit der Debatte gezeigt, „wie lebendig unsere Demokratie ist und dass gerade auch viele junge Menschen sich mit großem Engagement für ihre Überzeugungen einsetzen“. Das mache Mut für die Zukunft.

Ähnlich sieht das Bürgermeisterin Christine Strobl: „Jetzt gilt es, nach vorne zu schauen.“ Die SPD-Handschrift müsse bei den politischen Entscheidungen der Bundesregierung klar erkennbar sein. Strobl glaubt, dass viele Parteimitglieder der GroKo „zähneknirschend“ zugestimmt hätten. Dass es eine relativ deutliche Mehrheit geben würde, habe sie aber erwartet. „Nach 36 Jahren in der Partei kriegt man ein Gefühl für die Sache.“

Münchens Parteichefin Claudia Tausend, zugleich Bundestagsabgeordnete, verspricht: „Wir werden die Chance nutzen, unsere Inhalte in der Regierung umzusetzen, gerade auch für Münchens Mieter.“ Sie freue sich, „dass wir fünf Monate nach der Bundestagswahl endlich an die Arbeit gehen können“.

Enttäuschung herrscht hingegen bei den Münchner Jusos. Deren Vorsitzender Christian Köning lässt verlauten: „Scheinbar war die Angst vieler Mitglieder vor der Ungewissheit, was nach einer Ablehnung der GroKo folgen würde, ausschlaggebend.“ Die Verantwortlichen im Parteivorstand und der Regierung sollten nun einerseits das Drittel der GroKo-Gegner integrieren und andererseits in einer Koalition mit Kanzlerin Merkel die Inhalte der SPD glaubwürdig deutlich machen, fordert Köning. Er sei jedoch skeptisch, ob das gelingen kann.

Dennoch meint der Juso-Vorsitzende: „Die Debatte der vergangenen Wochen zeigt, dass die SPD lebt und inhaltlich kritisch diskutiert.“ In München sei die Partei mit dem Landtagswahlkampf und den Vorbereitungen auf die Kommunalwahl 2020 besonders gefordert. „Nur eine erneuerte Münchner SPD, die den Ton angibt und deren politischer Kompass auch im Rathaus deutlicher wird, kann erfolgreich sein“, sagt Köning.

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