Gerichtsurteil

Zu alt für Ratenzahlung

von Redaktion

VON daniela Schmitt

Seit über 20 Jahren ist Maria Palm Kundin bei HSE24. Doch ein Einkauf bei dem Teleshopping-Sender im Herbst 2015 ließ die Rentnerin bis vor den Bundesgerichtshof ziehen. Die Firma verwehrte der damals 84-Jährigen die Ratenzahlung – weil sie zu alt ist. „Ich habe mich gefühlt wie ein Mensch zweiter Klasse“, sagte die Freiburgerin unserer Zeitung am Freitag. Regelmäßig habe sie bei HSE24 telefonisch bestellt. „Wenn Geburtstage anstanden oder zu Weihnachten. Es ist für mich sehr praktisch“, meint die heute 86-Jährige. Sie habe immer bar bezahlt – bis auf dieses eine Mal, als sie für rund 2000 Euro Schmuckstücke kaufen wollte. „Ich hatte gerade eine Zahnbehandlung, die mich viel Geld gekostet hat.“ Daher schaute sie im Internet auf der HSE24-Seite nach: Eine „Teilzahlung ab einem Auftragswert in Höhe von 45 Euro“ sei möglich. „Ich habe daher zu der Mitarbeiterin am Telefon gesagt, dass ich eine Ratenzahlung auf zwei, drei Mal in Anspruch nehmen möchte.“ Die Antwort der Dame: „Das ist für Sie nicht möglich.“ Den Grund erfuhr Palm auf Nachfrage bei HSE24 – das Unternehmen schickte ihr einen Brief: „Darin stand, dass man mir eine Ratenzahlung nicht gewährt, weil ich zu alt bin!“

Maria Palm zog vor Gericht. Ihre Klage wurde in erster und zweiter Instanz abgewiesen. „Zwar sind ältere Personen, die Renten oder Pensionen beziehen, als solvente Schuldner einzustufen, da sie über ein geregeltes und sicheres Einkommen verfügen. Es ist aber nun einmal so, dass mit gesteigertem Alter auch das Risiko des Ablebens ansteigt“, heißt es in der Urteilsbegründung des Münchner Amtsgerichts. Es handle sich um einen Fall zulässiger Altersdiskriminierung.

Maria Palms Enkel Felix Palm ist Anwalt – er vertrat seine Großmutter vor Gericht. Palm sieht in der verwehrten Ratenzahlung einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). „Diese Benachteiligung ist nicht gerechtfertigt, da keine individuelle Bonitätsprüfung durchgeführt wurde. Der einzige Faktor war das Alter, dabei hängt die Bonität von diversen Faktoren wie dem Vermögensstand oder Sicherheiten ab“, erklärt er. Das Verhalten von HSE24 – in den Augen des Anwalts eine „Diskriminierung im geschäftlichen Verkehr“.

So sehen das auch Verbraucherschützer. „Aus unserer Sicht ist es falsch, das Alter als einziges Kriterium für die Kreditwürdigkeit einer Person heranzuziehen. Aber das ist leider die herrschende Rechtsansicht. Man sagt: Kreditgeschäfte sind keine Massengeschäfte“, sagt Sascha Straub von der Verbraucherzentrale Bayern. Massengeschäfte seien standardisierte Vertragsschlüsse wie der Einkauf beim Supermarkt. Dabei komme es nicht auf die Person an, sondern nur darauf, dass sie bezahle. „Bei Kreditgeschäften geht es laut Gesetzgeber um die Ansehung der Person. Die Frage ist: Traue ich der Person zu, mir das Geld zurückzuzahlen?“

Maria Palm ging in Revision – die Bundesrichter prüften ihren Fall. Ergebnis: Es wurde ein Vergleich geschlossen. Palm erhielt 2000 Euro, im Gegenzug nahm sie ihre Klage zurück. Sie ist froh, dass der Rechtsstreit vorbei ist. Ganz zufrieden ist sie aber nicht. „Ein Gerichtsurteil wäre mir lieber gewesen“, sagt sie. Auch Verbraucherschützer Straub hätte sich ein Urteil gewünscht. „Der Fall wäre eine Chance gewesen, die herrschende Rechtsansicht zu ändern.“ Es gebe viele ähnliche Fälle – die Beschwerden seien aufgrund „hoher Hürden“ gering. „Man wird diskriminiert, weil man alt ist. Viele Menschen wollen sich nicht damit auseinandersetzen, sondern nehmen lieber ungünstigere Konditionen in Kauf.“ HSE24 wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

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