„Als ich heute Morgen hierher gekommen bin, war alles weg, mein gesamter Besitz“, sagt Yashar Ismet, seufzt und deutet auf die verkohlten Überreste seines Schlafplatzes unter der Reichenbachbrücke. Zwei unbekannte Täter haben in der Nacht zum Donnerstag offenbar das Lager einer Gruppe Obdachloser angezündet – die Polizei geht von Brandstiftung aus. Auch die Mordkommission ist informiert.
Ismet ist 47 Jahre alt und stammt aus Bulgarien. Seit 16 Jahren lebt er in München, seit sieben Jahre schläft er unter der Reichenbachbrücke in der Au. In der Nacht des mutmaßlichen Anschlags war er nicht da. „Ich war krank“, erzählt er. „Deshalb habe ich im Warmen in der Bayernkaserne übernachtet.“ Umso verdutzter war er, als er am Donnerstagmorgen vor den verbrannten Resten seiner Habseligkeiten stand. „Meine Matratze, meine Klamotten, der Rucksack und die Papiere, die ich für den Arzt brauche“, zählt er auf. „Alles weg! Was soll ich denn nun machen, wo schlafen und vor allem: Worauf?“ Auch fünf andere Osteuropäer haben durch die Flammen alles verloren. Ein Rumäne sagt: „Diejenigen, die das zu verantworten haben, gehören ins Gefängnis.“ Doch die Kripo steht noch am Anfang ihrer Arbeit.
Gegen 1 Uhr morgens ging am Donnerstag der Notruf bei der Polizei ein. Ein Zeuge hatte das Feuer entdeckt. Er gab an, zwei Gestalten unter der Brücke beobachtet zu haben. Eine Person hatte angeblich einen brennenden Gegenstand in der Hand, kurz danach brannte es lichterloh unter der Brücke. Ein anderer Beteiligter soll die Flammen mit Unrat weiter angefacht haben. Kurz danach soll es zweimal heftig gekracht haben, erzählte der Zeuge. Verletzt wurde bei dem Vorfall niemand, vier Bulgaren im Alter zwischen 24 und 53 Jahren konnten sich rechtzeitig vor dem Feuer retten. Ob die Obdachlosen geschlafen haben, während ihr Lager angezündet wurde, konnte die Polizei nicht bestätigen. Nach Informationen unserer Zeitung sprechen die Spuren jedoch eindeutig für vorsätzliche Brandstiftung.
Stunden danach überprüfte ein Bauingenieur die Statik der Brücke. Weil wegen der extremen Hitze teilweise der Beton abgeplatzt ist, war unklar, ob die Tragfähigkeit des Bauwerks beeinträchtigt ist. Die Brücke steht aber nach wie vor sicher. Die Polizei schätzt den Schaden auf etwa 25 000 Euro.