Resignation an der Agnesstraße 48

von Redaktion

Nach der Sanierung sollen sich die bisher günstigen Mieten vervielfachen – sogar die Bundespolitik prangert das an

von Michael Hellstern

SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles hatte die Agnesstraße in Schwabing-West als ein Negativbeispiel für den Mietwucher genannt. Eine erstaunliche, aber für die Bewohner wenig tröstliche Bekanntheit. Angelika Huber (Name geändert) lebt seit mehr als 20 Jahren in der Agnesstraße 48. Der stilvolle Altbau ist über einhundert Jahre alt, 15 Parteien wohnen hier, verteilt auf fünf Stockwerke. Die Mieten waren lange günstig, dafür bezahlten die Mieter Sanierungen selbst.

Der neue Eigentümer des Gebäudes ist die Agnes 48 UG, ein aus drei Gesellschaftern bestehendes Unternehmen. Sie wollen die Wohnungen modernisieren, wodurch sich die Mieten stark erhöhen. Derzeit bezahlt Angelika Huber für rund 100 Quadratmeter knapp 500 Euro Miete. Nach der Sanierung sollen rund 1900 Euro monatlich fällig werden. Im Sommer soll in das Haus unter anderem eine Zentralheizung eingebaut werden. Für 2019 sind weitere Arbeiten geplant, so sollen die Fenster ausgetauscht sowie die Kellerdecke und das Dach gedämmt werden. In einigen Wohnungen wollen die Gesellschafter bestehende Balkone vergrößern und neue hinzufügen. Zudem wollen sie die Fassade energetisch modernisieren.

Der Bezirksausschuss (BA) Schwabing-West lehnt die Pläne der neuen Eigentümer einstimmig ab und will Angelika Huber unterstützen. „Für uns ist zum Beispiel nicht einleuchtend, warum eine solche Wohnung gleich zwei große Balkone haben muss“, erklärt Oskar Haider (CSU). „Die übergroßen Balkone werden gleich doppelt auf die Mieten der Bewohner umgelegt. Einmal durch die Herstellungskosten und dann noch durch die Vergrößerung der Wohnfläche.“ Möglich wird dies durch eine Klausel im Paragrafen 559 des Baugesetzbuchs. Danach können Vermieter elf Prozent der Modernisierungskosten auf die jährlichen Mieten umlegen.

Elf Wohnparteien hätten bereits mit den Vermietern vereinbart, dass sie gegen eine Abfindung ausziehen, erklärt Huber. Verschwiegenheitserklärungen sollen verhindern, dass sich die Mieter untereinander austauschen. „Keiner spricht mehr mit dem anderen, keiner darf etwas verraten“, beschreibt sie die Situation im Haus. „Der Vermieter will uns aus der Wohnung vertreiben und schickt wöchentlich Androhungsschreiben, in denen steht, dass wir bauliche Veränderungen an der Wohnung vorgenommen oder Mängel nicht gemeldet haben. Zudem wird uns gedroht, dass wir schadensersatzpflichtig werden, weil die Arbeiten verschoben werden müssen.“ Mittlerweile seien bereits fünf Parteien ausgezogen. „Die Modernisierung ist darauf ausgelegt, die Mieter zu vertreiben, um danach die Mietpreise ins Uferlose zu treiben“, schimpft Lokalpolitiker Oskar Haider.

Der Geschäftsführer der Agnes 48 UG weist die Vorwürfe von sich: „Wir haben bei vier Wohnungen zweite Balkone beantragt, da diese im Gegensatz zu den nördlich ausgerichteten Balkonen in verbessernder Südwestausrichtung liegen würden. Dies verbessert den Wohnwert.“ Zudem verweist er darauf, dass es bei von Mietern durchgeführten und nicht genehmigten Umbaumaßnahmen unter anderem um den Brandschutz und um Statikfragen geht. „Wir haben uns vorbehalten, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, sollten die Ursachen bei Mietern liegen und sollte es dadurch zu Verzögerungen unserer geplanten Modernisierungsmaßnahmen kommen.“ Die Entscheidung über den Umfang der Arbeiten am Haus liegt nun bei der Stadt.

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