61 100 Geldautomaten standen laut der Deutschen Kreditwirtschaft im Jahr 2015 in der Bundesrepublik noch – bis Ende 2017 ging die Zahl auf 58 400 zurück. Allein von 2016 auf 2017 wurden 1600 Automaten abgebaut. Hauptursachen dafür sind die Digitalisierung und der Kostendruck. „Das Betreiben eines Geldautomaten kostet im Jahr zwischen 20 000 und 25 000 Euro“, sagt Jürgen Gros, Chef des Bayerischen Genossenschaftsverbands, zu dem die Volks- und Raiffeisenbanken gehören. „Das muss auch verdient werden. Dauerhaft ist Zuschießen kein Geschäftsmodell.“
Vieles wird heute im Internet bestellt – im Online-Handel braucht man kein Bargeld. Auch Kriminelle haben ihren Anteil daran, dass Banken immer mehr Automaten stilllegen. Im Dezember vergangenen Jahres etwa sprengten Unbekannte einen Geldautomaten an der Schleißheimer Straße und verursachten einen Sachschaden von 100 000 Euro. „Die Anschläge auf Geldautomaten treiben die Kosten für die Versicherungen beziehungsweise für die Wiederinstandsetzung der Geräte und der gegebenenfalls zerstörten Umgebung tendenziell in die Höhe“, sagt ein Sprecher der Deutschen Kreditwirtschaft in Berlin.
Möglichkeiten, an Bargeld zu kommen, gibt es heutzutage dennoch. Viele Geschäfte und Supermärkte bieten ab einem gewissen Einkaufswert gebührenfreies Abheben von Bargeld an. Bei Aldi und Edeka etwa gibt’s Bares ab einem Einkauf im Wert von 20 Euro, bei der Drogeriemarktkette dm soll dieser Service bald schon ab 10 Euro Einkaufswert möglich sein. Die Einzelhändler rechnen durch den Service unter anderem damit, dass die Kunden mehr bei ihnen einkaufen, um das Limit zu erreichen.
Auch die Münchnerin Celine Kainz (31) nutzt diese Möglichkeit: „Dass man in Geschäften auch Geld abheben kann, finde ich praktisch. Gerade für Familien ist das ein super Service“, sagt die Buchhalterin, die im Lehel wohnt. „Bei uns im Viertel schimpfen alle, dass es kaum noch Automaten gibt. Meine Schwägerin überlegt deshalb bereits, ihre Bank zu wechseln.“
Klaus Demler (71) dagegen holt sein Bargeld ganz klassisch am Automaten: „Ich habe daheim zum Glück einen direkt gegenüber. Beim Einkaufen nutze ich diese Funktion kaum. Ich komme oft nicht auf den Mindestwert, um Geld abheben zu können“, sagt der Schulbegleiter aus München. „Allerdings kann ich mir vorstellen, dass das gerade außerhalb der Stadt gut angenommen wird, wo weniger Automaten stehen.“
IT-Managerin Verena Werner (34) würde gerne mehr im Laden abheben: „Mein Supermarkt bietet das leider nicht an. Ich bestelle aber ohnehin viel im Internet und bezahle oft mit Karte daher führe ich grundsätzlich nicht viel Bargeld mit.“
Vor 50 Jahren ging der erste Geldautomat in Tübingen in Betrieb. Nun ist der jahrzehntelange Siegeszug offenbar beendet: Ganz verschwinden werden die Automaten nach Einschätzung der Banken in absehbarer Zeit freilich nicht. Die Deutschen lieben das Bargeld – und hinken damit im internationalen Vergleich beim Thema bargeldloses Zahlen ziemlich hinterher. In Schweden etwa werden selbst Semmeln beim Bäcker mit Kreditkarte bezahlt, in manchen Kirchen kann man mit der Karte sogar seine Spenden leisten. Auch in den USA und Island ist das Zahlen mit der Kreditkarte viel weiter verbreitet als hier.
Experten gehen davon aus, dass sich in Zukunft auch ein anderer Trend durchsetzen wird: das Bezahlen per Handy. Markus Eichinger vom Münchner Bezahldienstleister Wirecard: „Zwar laufen heute noch 85 Prozent aller Transaktionen mit Bargeld, aber das Potenzial für hiesige digitale Lösungen ist sehr groß.“ In China gehört das Zahlen per Handy-App bereits zum Alltag.