Eine DNA-Spur unter anderem an einem Basketball hat Artiomas T. vor Gericht gebracht. Der 34-Jährige soll am 5. April 2017 zusammen mit vier weiteren Männern den Juwelier F. C. Bauer in Harlaching überfallen haben. Die Räuber sollen Pfefferspray versprüht, mit Hämmern Vitrinen zertrümmert und 120 hochwertige Uhren sowie drei Schmuckstücke im Wert von 308 472 Euro mitgenommen haben. Seit gestern steht der arbeitslose Litauer wegen gemeinschaftlichen besonders schweren Raubs und gefährlicher Körperverletzung in sieben Fällen vor Gericht. Am ersten Prozesstag schwieg der Angeklagte.
Warum die fünf Männer mit einem schwarzen Basketball in dem Geschäft an der Peter-Auzinger-Straße auftauchten, ist nicht ganz klar. „Vermutlich war das Tarnung“, sagt Karola Bauer auf Nachfrage des Richters Frank Zimmer. Seit 59 Jahren arbeitet die Senior-Chefin (82) in dem Traditionsladen, den es seit 62 Jahren gibt. Einen Überfall wie diesen hat Bauer aber noch nie erlebt. „Ich fertigte gerade eine Kette, als ich den Tumult hörte“, berichtet sie. Bevor sie etwas unternehmen konnte, stand einer der maskierten Männer vor ihr, sprühte ihr Reizgas ins Gesicht.
Die 82-Jährige rappelte sich schnell wieder auf, wusch im Bad das Pfefferspray aus den Augen. Auf dem Rückweg sah sie dann den Basketball auf dem Boden liegen. „Ich warf ihn einem der Typen an den Kopf“, erzählt die elegante Frau in weißer Hose und hellblauem Oberteil. Einer der Täter bedrohte sie daraufhin mit einer kleinen schwarzen Pistole. „Angst hatte ich schon, ich versteckte mich dann in der Werkstatt, weil ich dachte, dort sei ich sicher.“ Nach dem Raubüberfall spürte sie gelegentlich noch ein Brennen in den Augen, „aber sonst habe ich das gut weggesteckt.“ Auch der Uhrmachermeister und Angestellte Rudolf Bauer – mit den Inhabern nicht verwandt – verkraftete den Raubüberfall gut. „Ich hab mir nur gedacht: Einfach nix sagen und ruhig liegen bleiben.“
Anders die Angestellte Sabine N. (58, Name geändert), die gerade eine Kundin bediente, als die Männer in den Laden stürmten. Sie war nach dem Überfall krankgeschrieben, nahm kurze Zeit Beruhigungsmittel und suchte zwei Mal bei einem psychologischen Dienst Hilfe. Man spürt, wie schwer ihr die Aussage vor Gericht fällt – immer wieder ringt sie nach Worten. „Ich hörte Getrampel, fremde Stimmen und Sprühgeräusche“, sagt sie. Als ein Maskierter ihr Pfefferspray in die Augen sprühte, hatte sie fürchterliche Schmerzen. Und: „Ich hatte Todesangst, dass ich einen Baseballschläger draufkriege.“ Heute noch ist sie schreckhaft. „Als neulich jemand schnell hinter mir mit einem Kinderwagen im Kies herlief, habe ich geschrien.“ Die Täter attackierten vier Angestellte und drei Kunden – alles während ihres nur etwa zweiminütigen Blitzüberfalls.
Inhaber Franz Bauer (59) war in dieser Zeit nicht im Geschäft. Die Folgen bekam er aber mit – nicht nur wegen des Schadens. Er sagt: „Das Gas war zwei Wochen lang überall präsent, wir mussten alles komplett reinigen.“ Weder die hochwertigen Uhren noch der Schmuck sind bislang laut Franz Bauer wieder aufgetaucht.
Artiomas T., der früher auf dem Bau gearbeitet hat, schaute teilnahmslos, während Staatsanwalt Laurent Lafleur die Anklage verlas und die Zeugen aussagten. E wirkte, als würde ihn das alles nichts angehen. Über seine Mittäter ist bislang nichts bekannt. Der Prozess wird fortgesetzt. Stefanie wegele