Verdächtige festgenommen

Falsche Polizisten bald vor Gericht

von Redaktion

VON Andreas Thieme

Los ging alles im Jahr 2015. Die ersten falschen Polizisten versuchten, Senioren in der Stadt abzuzocken. Aus Callcentern in der Türkei gehen die Telefonate bei den Opfern ein. Wie berichtet, ist den türkischen Beamten vor etwa drei Wochen in Zusammenarbeit mit dem Polizeipräsidium München ein Schlag gegen eine Callcenter-Bande in Antalya gelungen. Die Geschichten, die die Betrüger ihren Opfern erzählen, variieren. Meist sagen sie, bewaffnete Einbrecher seien in der Nähe, das Geld der Senioren müsse in Sicherheit gebracht werden. Sogenannte Abholer geben sich dann als Polizisten aus und nehmen das Geld entgegen.

31 Vorfälle registrierte die Polizei 2015, in acht Fällen wurden die Taten vollendet, die Beute der Betrüger lag bei 70 000 Euro. 2016 stieg die Anzahl auf 290 Vorfälle, 18 Taten wurden vollendet. Es entstand ein Schaden von 220 000 Euro. „Mitte 2017 kam dann eine regelrechte Welle auf uns zu, von da an sind die Fallzahlen rapide angestiegen“, sagt Staatsanwalt Peter Tischler (31), der mit einem Kollegen die Betrüger-Banden jagt. „In dem gesamten Jahr hatten wir 3200 Vorgänge und 40 vollendete Taten. Der Schaden lag bei 4,3 Millionen Euro.“ Aber: „2017 gab es im Zuge unserer Ermittlungen auch 26 Festnahmen.“

Die falschen Polizisten suchen sich gezielt ältere Leute aus, die oft größere Bargeld-Beträge zu Hause oder auf der Bank haben und oft alleinstehend sind. „Wir gehen davon aus, dass Callcenter-Betreiber in der Türkei anhand eines Telefonbuchs alt klingende Vornamen heraussuchen“, sagt Tischler. Die Betrüger agieren sehr geschickt: Sie fragen nach den familiären Verhältnissen und wie alt der Angerufene ist. Wenn sie merken, derjenige springt darauf an, bleiben sie hartnäckig. „Bei Anrufen werden zum Teil sogar fiktive Gespräche im Hintergrund nachgestellt, Sirenen oder Geräusche im Büro.“ Am Telefon behaupten die Betrüger auch wörtlich: „Ich leite hier den Einsatz und schicke jetzt meine Kollegen zu Ihnen.“ Der Druck, der aufgebaut wird, sei enorm. Tischler: „Diesem Druck halten Senioren oft nicht stand, zumal sie oft großes Vertrauen in Polizei und Staatsanwaltschaft haben und keine Bezugspersonen mehr, mit denen sie sich besprechen könnten.“

Für die Trickbetrüger wiederum seien diese Art Verbrechen lukrativ, weil sie schnell abgewickelt werden können. „Wir gehen davon aus, dass in den Callcentern in der Türkei die sogenannten Keiler sitzen: Das sind die Personen, die die Anrufe nach Deutschland tätigen“, sagt Tischler. „Es handelt sich überwiegend um Täter, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, die deutsche Sprache also sehr gut beherrschen. Es gibt darunter auch mehrere Fälle, wo uns bekannt ist, dass diese Personen aus Deutschland in die Türkei abgeschoben worden oder ausgereist sind. Mit ihren guten Sprachkenntnissen betreiben sie dort die Callcenter.“ Vor Ort in Deutschland haben sie Landsleute, die dann als Logistiker fungieren – meist handele es sich um Freunde von früher, häufig seien es auch Mitbürger mit türkischem Migrationshintergrund. Zu selben Gruppe gehören dann auch die sogenannten Abholer, die später bei den Senioren zu Hause die Wertsachen abgreifen.

„Das Ganze ist sehr gut organisiert und läuft höchst professionell ab. Die Strukturen sind eingespielt“, sagt Tischler. „Vor Gericht haben schon einige Zeugen berichtet, dass ihnen der Kontakt zum Anrufer zwar selbst komisch vorkam, sie aber keinen Ausweg aus der Situation gefunden haben“, berichtet Oberstaatsanwältin Anne Leiding. „Teilweise wollten sie einfach nur noch das Gespräch beenden, waren völlig verwirrt, und kamen erst wieder zur Besinnung, als sie das Geld schon herausgegeben hatten.“ Tischler zufolge kommt es teilweise auch die ganze Nacht hindurch zu Kontrollanrufen, sodass die Senioren nicht mal Angehörige kontaktieren können.

„Vor Kurzem haben wir zwei Abholer bei einer versuchten Geldübergabe festgenommen“, so Tischler. „Dann beschlagnahmten wir ihre Mobiltelefone. Anhand der Daten stellten wir fest, dass einer der beiden Abholer bereits zuvor in München gewesen war.“ Oft stammen die Täter nicht aus München und kommen nur in die Stadt, um die Straftaten zu begehen. „So konnten wir einen ganzen Ring von Trickbetrügern dingfest machen. Es geht um sieben Angeklagte: drei Logistiker und vier Abholer. Sie haben nach unseren Erkenntnissen als gemeinsame Zelle im ganzen Bundesgebiet agiert und sechs vollendete sowie eine versuchte Tat begangen“, sagt Tischler. Allein diese Tätergruppierung habe damit einen Schaden von rund 660 000 Euro im Jahr 2017 verursacht. Die mutmaßlichen Täter sind zwischen Ende 20 und Mitte 40. Alle Angeklagten sind in Untersuchungshaft. Der Prozess wird laut Leiding am Landgericht München I stattfinden, da von einer hohen Straferwartung auszugehen ist. Ein Verhandlungstermin steht noch nicht fest.

Artikel 1 von 11