Die Dame aus Ramersdorf muss sich im Sommer über die anhaltend warmen Temperaturen gefreut haben. Über Monate verzichtete die Frau nämlich auf warmes Wasser. Aus Angst. Angst davor, dass ihr Vermieter das Mietverhältnis kündigt, wenn sie die notwendigen Reparaturen allzu oft anmahnt. Immer öfter haben die Mitarbeiter der städtischen Mieterberatungsstelle im Amt für Wohnen und Migration mit derlei Fällen zu tun: Mieter, die aus Furcht vor einer Kündigung aus Eigenbedarf auf ihre Rechte verzichten. Denn freilich hätte der Vermieter in dem Ramersdorfer Fall die so genannten Schönheitsreparaturen durchführen müssen.
Doch die Angst ist nicht ganz unberechtigt. „Es wird den Vermietern relativ einfach gemacht“, sagt Münchens Sozialreferentin Dorothee Schiwy. Grund ist, dass der Begriff Eigenbedarf nicht exakt genug definiert ist.
Das zeigt ein weiteres Beispiel, diesmal aus Hessen. In Wiesbaden hatte ein Eigentümer ein Mietverhältnis gekündigt, weil er die Räume nach eigenem Bekunden alle zwei Wochen für Familientreffen benötigte. Vor Gericht hielt das stand.
„Wenn sie es begründen können, reicht es aus, wenn ein Vermieter den Eigenbedarf geltend macht, weil die Putzfrau seiner Schwester eine Wohnung braucht“, sagt Thomas Vogt von der Mieterberatungsstelle. Die sechs bis sieben Berater haben im Jahr zwischen 26 000 und 30 000 Gespräche, bei 2100 davon geht es um Kündigungen. Und mittlerweile allwöchentlich gibt es mindestens einen Fall, bei dem ein Mieter aus Angst vor einer Kündigung aus Eigenbedarf auf seine Rechte verzichtet oder absonderlich hohe Nebenkostenabrechnungen oder Mieterhöhungen akzeptiert.
Besonders in München wirkt eine solche Drohkulisse, denn der Mietmarkt ist überhitzt, eine bezahlbare Wohnung kaum zu finden. „Wir wollen daher klare Änderungen der gesetzlichen Grundlagen“, sagt Schiwy. So sollte eine Kündigung aus Eigenbedarf nur für Verwandte in gerader Linie möglich sein – Vater, Mutter, Kinder, Enkel. Zudem könnte der Bundesgesetzgeber einen nachgewiesenen vorgetäuschten Eigenbedarf unter Strafe stellen, etwa mittels Bußgeld. Mithin hätten Mieter einen Schadenersatzanspruch.
Weiter fordert die Sozialreferentin, dass die Möglichkeit, Eigenbedarf für eine Zweitwohnung anzumelden, ausgeschlossen oder zumindest sehr eingeschränkt wird. Auch sollten die Mieter besser gegen einen absehbaren Eigenbedarf geschützt werden. Sprich: Der Vermieter soll bei Vertragsabschluss beispielsweise darauf hinweisen, dass er in zwei oder drei Jahren an seinen dann volljährigen Nachwuchs vermieten könnte. Ferner sollten die Anforderungen an einen „überhöhten Wohnbedarf“ gesenkt werden. Dieser Passus macht eine Kündigung aus Eigenbedarf unzulässig, wenn beispielsweise eine mehrköpfige Familie aus einer 200-Quadratmeter-Wohnung ausziehen muss, weil der Sohn des Vermieters dort einziehen will. Wie viel Wohnraum nun genau für eine Person zulässig sind, müsste erst noch definiert werden. Es soll aber auch vermieden, dass besagter Sohn eine WG gründet und so die Regelung „überhöhter Wohnbedarf“ aushebelt.
Überdies wünscht sich Schiwy, dass die Anforderungen an die Begründungspflicht für eine Eigenbedarfskündigung ausgeweitet werden. Alle Tatsachen, die für den Eigenbedarf relevant sind, sollten bereits im Kündigungsschreiben und nicht erst im Rechtsstreit vorgetragen werden müssen. Denn je präziser der Begriff Eigenbedarf gefasst ist, desto leichter fällt einem Mieter der Nachweis eines Verstoßes.