Gewagte Ess-kapaden

von Redaktion

SIMONE DATTENBERGER

Neulich bei meinem Bäcker musste ich anstehen und betrachtete versonnen die Krapfen-Variationen in der Vitrine – eine Phalanx von Schokoglasur, Puderzucker-Rautenmuster und extra-bickertm Zuckerüberzug, mal in Weiß, mal in Rosa. Ich esse ja Krapfen grundsätzlich nur in der Badewanne; das schont Teppichboden, Stuhlbezug, Tischdecken und sonstige Heimtextilien. Messer und Gabel sind ebenfalls wärmstens zu empfehlen. Als ich im Laden gerade grübelte, wie wohl Benimm-Trainer jenes gefüllte Schmalzgebäck verzehren, hörte ich hinter mir: „Ja, varreck!“ Es war nicht klar, worauf sich der Ausruf, der natürlich kein Aufruf zum sofortigen Hinscheiden ist, bezog: auf die vielen Leute? Die vielen Krapfensorten? Die vielen Kalorien?

Da tönte eine zweite Stimme: „I bin scho seit Wochn glangrig!“ „Aber net auf des amerikanische Zeigl“, gab die erste, sonore, Stimme zurück. „Naaa, spinn i, mit denane Donuts kannst mi jagn. I moan doch die Krapfn. Die san daherin fei ehrli guad; da kriagst koa Sodbrenna ned“, erklärte die Frau. Sofort nahm ich mir vor, mindestens zwei – oder doch vier – oder vielleicht mehr? – der Hefeteigkugeln mitzunehmen: die normalen, die nur mit Marmelade gefüllt sind.

Als Kind habe ich den Aprikosenbaaz zu gern aus dem Einschussloch herausgeschleckt und -geschluzt. Auch so was Anti-Benimm-Mäßiges, das aber das Essen einfach besser schmecken lässt. Zum Beispiel bietet Kartoffelbrei eindeutig mehr Genüsse, wenn man zwischen seinen Bergen Täler mit Soßen-Seen und -Flüssen anlegt. Eltern haben für diese Art von Landschaftsgestaltung oft keinen Sinn – wahrscheinlich, weil sie die wahren Freuden und die tiefen Erkenntnisse der Kindheit vergessen haben.

Herausgerissen wurde ich aus meiner Nostalgie, als der Sonor-Töner beim Bäcker freundlich zu mir sagte: „Frau, Sie san dro.“ Beinahe hätte ich Kartoffelbrei bestellt. Gerade konnte ich mich noch bremsen und orderte Semmeln, Brot – und drei Krapfen. Im Hinausgehen hörte ich die Bestellung des Paars: „Gem S ma bittschee fünf Vanillkrapfn, fünf schokoladene, fünf normale und fünf mit Mohn. Und dann brauchat i no zehn Brezn mit vui Soiz und drei Kasstangerl.“ Textaufgabe für Schnellrechner: Wie viele Schwangere können damit zufriedengestellt werden?

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