Franz Loser sieht aus wie ein Tramfahrer in falscher Farbe: Er ist monochrom gekleidet, beiges Hemd, dunklere Stoff-Hose und eine braune Steppjacke. Selbst eine Krawatte trägt der 40-Jährige Münchner. „Cocktail Tram“ steht in silbernen Lettern darauf. Trambahn, das sei seine Leidenschaft, erzählt er und streicht über den Schriftzug. Nun will er mit einer Tramfahrt seinen Traum zum Beruf machen.
Das geht natürlich nicht in irgendeiner Bimmelbahn, sondern nur in der „MVG-Bewerbungstram“, die gestern ihre Jungfernfahrt hatte. In die Bahn, die in Schleifen vom Lenbachplatz nach Pasing fährt, kann jeder einsteigen, sich über das Jobangebot der MVG informieren oder aber gleich einen Bewerbungsprozess durchlaufen. „Wir suchen heuer über 300 neue Fahrer für Bus, Tram und U-Bahn. Mit der Bewerbungstram wollen wir im positiven Sinne aus dem Rahmen fallen“, erklärt Pressesprecher Matthias Korte. Mit der Aktion will die MVG den Interessenten, die sich oftmals seit Jahren nicht mehr um eine Anstellung beworben haben, eine Alternative zum formalen Vorstellungsgespräch bieten. „Wir wollen eine herzliche Atmosphäre“, sagt Korte.
Franz Loser füllt mit zittrigen Händen einen fiktiven Unfallbericht aus. Der soll Aufschluss über seine Deutschkenntnisse geben. Der Münchner hat eine Leidenschaft für die Trambahn. 15 Jahre lang hat er die „Cocktail Tram“ organisiert, die nachts mit Musik, Mojito, Caipi und Co. durch Münchens Straßen fährt. Die Fahrer kamen immer von der Stadt. Mit vielen ist Loser mittlerweile befreundet. „Man kann sagen, dass da was zwischen mir und der Tram ist“, sagt er mit einem kindlichen Lächeln. Dann wird er zum Bewerbungsgespräch gebeten.
Neben einem angemessenen Sprachniveau muss ein potenzieller Tramfahrer mindestens 21 Jahre alt sein, einen Führerschein der Klasse B besitzen und natürlich bereit sein, am Wochenende oder an Feiertagen zu arbeiten. Die Ausbildung dauert dann nur noch drei Monate – Busfahrer brauchen vier –, und sobald sie erfolgreich abgeschlossen ist, gibt es ein Einstiegsgehalt von etwa 2700 Euro.
Nicht alle Bewerber in der Tram sprechen so gut Deutsch wie der gebürtige Münchner Loser. Ali Aga füllt gerade das Kontaktformular aus und erhält dabei Hilfe von einer Mitarbeiterin der MVG. Der 33-Jährige floh vor vier Jahren gemeinsam mit seiner Familie aus dem Iran nach Deutschland. Er spricht nur langsam, muss bei komplexeren Fragen oftmals nachfragen. Seit Kurzem ist sein Asylantrag bewilligt, seine Kinder gehen hier schon in die Schule, jetzt will er einen Job finden. „Wir haben ein Kooperationsprogramm für Geflüchtete auf die Beine gestellt, in dem sie neben einer Ausbildung auch einen Deutschkurs erhalten“, erklärt Anita Niemeyer, die für die Personalsuche von Stadtwerken und MVG verantwortlich ist. Genau das also, was Aga braucht.
Insgesamt sind bei der Jungfernfahrt der Bewerbungstram etwa 60 Interessierte mitgefahren, 27 haben eine direkte Zusage erhalten. Die MVG freut sich über das Ergebnis und will die Aktion fortsetzen.
Franz Loser hat eine Zusage bekommen. Er lächelt breit. Wenn er seine Fahrtüchtigkeit bei einem Werksarzt unter Beweis stellt und sein Führungszeugnis präsentiert, dann ziert seinen Hals wohl bald eine blaue Krawatte. „Aber die ziehe ich dann wirklich gerne an“, sagt er und fährt noch einmal über den „Cocktail Tram“-Schriftzug.