Der Lausbua vom Land

von Redaktion

Premiere auf dem Nockherberg: Nach acht Jahren Luise Kinseher als Mama Bavaria hält diesmal Maxi Schafroth die Rede – und zwar als Maxi Schafroth. Ein sehr gelungenes Debüt, das trotzdem noch Luft nach oben hat.

VON MIKE SCHIER

München – Der erste große Beifall gehört an diesem Abend einer Dame, die eigentlich gar nicht da ist. Nach fünf Minuten unterbricht Maxi Schafroth seine Rede. Er steht da oben ja nicht in einer Rolle. Schafroth ist einfach Schafroth. Kein Mönch wie früher die Herren Max Grießer, Bruno Jonas oder Michael Lerchenberg. Die predigten in einer Kutte, Schafroth spricht nicht mal im Lodenjanker. Den hat er gleich abgelegt. Filz mag er nicht. Den Mitgliedern der Staatsregierung ruft er zu: „Mit euch kann ich eh nicht mithalten. Die besten Schauspieler seit’s eh ihr.“

Maxi ist also Maxi (am Nockherberg duzt man sich) und kann problemlos eine kurze Pause beim Vortrag einlegen – und jener Frau danken, die seinen Job jahrelang gemacht hat. „Ich bin jetzt fünf Minuten da“, sagt der Maxi. „Mir tät’s von der Erfahrung her absolut langen.“ Luise Kinseher hat es nach acht Jahren auch gelangt. Jetzt sitzt sie sehr entspannt unten im Saal. Links außen. Aber das ist sicher Zufall. Jedenfalls bekommt sie jenen tosenden Applaus, den Schafroth für sie einfordert.

Ein schönes Beispiel dafür, wie rückblickend manches verklärt wird. Acht Jahre „Mama Bavaria“ hieß für Kinseher auch, es nie allen recht machen zu können. Den Politikern war sie zu hart, den Zuschauern vor dem Fernseher viel zu weich. In den sozialen Netzwerken schimpften sie wie die Rohrspatzen über „die Mama“ und ihre „lieben Kinder“. Jetzt versucht sich Schafroth an diesem Spagat, der eigentlich nicht zu schaffen ist. Die Fastenrede am Nockherberg soll lustig sein, fein und derb zugleich, scharf- und hintersinnig, hart und nicht zu verletzend. Alles gleichzeitig. Unmöglich!

Es ist keine Liebe auf den ersten Blick. Der Nockherberg ist im Prinzip eine sehr altbayerische Veranstaltung. Die Redner kamen immer aus Nieder- oder Oberbayern. Maxi Schafroth kommt aus Schwaben. Unüberhörbar. Vom Dorf. Stephansried, ein Ortsteil des Marktes Ottobeuren im Unterallgäu. 78 Einwohner. Und er ist jung. So wie die nachwachsende Generation Politiker. Hans Reichhart, Katha Schulze, Martin Hagen. „Die Generation Bibi Blocksberg greift nach der Macht.“

Und so ist sie auch, seine Rede. Schafroth spricht wie ein erwachsener schwäbischer Lausbua vom Land. Ein bisschen hinterfotzig, ein bisschen derb. Das ist oft amüsant und charmant, auch weil der Maxi sich am meisten im Saal über einen gelungenen Gag zu freuen scheint. An den Grenzen des guten Geschmacks kratzt er selten. Am härtesten trifft es ausgerechnet Barbara Stamm, die beliebte ehemalige Landtagspräsidentin, die der Veranstaltung ja bereits vor Jahren abgeschworen hat.

Auch Hubert Aiwanger muss sich viel anhören – aber als Niederbayer vom Land kann er einiges ab. Am bösesten wird Schafroth ohnehin, wenn es nicht um Personen, sondern Institutionen geht. Beispielsweise wenn er Verkehrsminister Hans Reichhart (37) mahnt: „So kindlich jung – wenn ich du wär, würde ich nach dem Gottesdienst schauen, dass ich schnell aus der Kirch’ raus komm.“

Es ist ein guter Start für den Neuling. Der Sprung von kleinen Kabarettbühnen vor ein Millionenpublikum ist gewaltig. Manchmal redet Schafroth ein wenig zu schnell. Man merkt auch, dass er kein intimer Kenner der Landespolitik ist. Die Politiker im Saal kicherten zuletzt manchmal, weil Luise Kinseher nach sieben, acht Reden ihre Kinder so gut durchschaut hatte, dass sie ein paar Insiderwitze versteckte, die der Gelegenheitszuschauer am Fernseher gar nicht mitbekam. Schafroth ist (noch) nicht so weit. Bei einigen in Söders blasser Ministerriege hat er erkennbar Schwierigkeiten, eine passende Pointe zu finden. Gegenüber Söder agiert er recht brav.

Fast alle kommen sie vor. Katha Schulze und Ludwig Hartmann von den Grünen, Martin Hagen von der FDP. Nur die AfD wird an diesem Abend komplett ignoriert. Sie ist auch nicht im Saal. Für sie liefert Schafroth einen ernsten, gänzlich unkabarettistischen Epilog. Die AfD beschwert sich noch am Abend per Pressemitteilung über die Nichteinladung.

So schwankt dieser Abend zwischen gutem Humor und ein wenig moralisierenden Momenten. Die Passage über Asyl wird sehr vom erhobenen Zeigefinger dominiert. Dafür wäre der Mönch vielleicht die passendere Figur gewesen als der Maxi aus dem Unterallgäu.

Auffällig: Auch für die SPD reicht es nur zu einer Nebenrolle. Weder die Landesvorsitzende noch der Fraktionschef werden namentlich erwähnt. Dafür Kurt Eisner. Lange ist’s her. „Liebe SPD“, sagt Schafroth und klingt wieder sehr ernst, „wacht’s aus diesem depressiven Schlaf auf! Besinnt’s euch auf eure Wurzeln, wir alle hier haben euch was zu verdanken! Pressefreiheit, Frauenwahlrecht, die Ausrufung des Freistaats Bayern, ein Werk der SPD.“ Dann bittet er um einen Applaus fürs Frauenwahlrecht. Das wirkt ein wenig deplatziert.

Der zweite große Applaus geht also wieder an die Damen. Am Ende aber bekommt auch Maxi Schafroth seinen Beifall. Ziemlich laut. Er darf wohl wiederkommen.

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