Neun Jahre menschliche Abgründe

von Redaktion

Vor ihm zitterten sogar kaltblütige Killer. Neun Jahre lang war Michael Höhne (59) Vorsitzender des Schwurgerichts. Dort verhandelte er Münchens schlimmste Verbrechen: Mehr als 20 Mörder und Totschläger schickte der Richter hinter Gitter. Zum 1. Mai wechselt Höhne ans Oberlandesgericht, dann führt er Staatsschutz-Verfahren gegen Terroristen.

VON ANDREAS THIEME

Es hätte nicht viel gefehlt und Michael Höhne wäre gar kein Richter geworden. „Ich habe überlegt, ob ich Sport oder Jura studieren soll“, sagte er zum Amtsantritt im Sommer 2010. Sport habe ihm immer Spaß gemacht, noch heute wirkt Höhne durchtrainiert. 1985 legte er die staatliche Skilehrer-Prüfung ab, fuhr in seiner Freizeit Tausende Kilometer auf dem Rennrad – „und ich war 25 Jahre lang aktiver Fußballer“. Am Ende entschied er sich doch für die Justiz – und stellte fest, „dass Jura gar nicht so trocken ist“. Die Fitness nahm er mit und erwarb sich neben hohem Fachwissen auch eine unglaubliche Kondition in seiner Ermittlungsarbeit.

Was folgte, war eine beeindruckende Karriere: 1999 klärte Höhne als Staatsanwalt in der Kapitalabteilung spektakulär einen Mord auf dem Inka-Pfad in Peru auf. Er vertrat die Anklage gegen Westpark-Mörder Gorazd D. und ermittelte gegen die Russenmafia. Angst ist Höhne fremd. Er setzt auf akribische Arbeit – und übernahm nach Jahren als Vorsitzender der 9. Strafkammer des Landgerichts schließlich den Vorsitz des Schwurgerichts.

Dort löste er Manfred Götzl (65), der später den NSU-Prozess leitete, als Richter ab – und verhandelte bis heute etwa 140 Strafverfahren. Mehr als 20 Mörder oder Totschläger schickte Höhne während seiner Amtszeit ins Gefängnis, oft lebenslang.

So wie zuletzt Konstantin V. (32), der seine Lebensgefährtin in Bogenhausen erdrosselt hatte, um eine Affäre zu verbergen. Die Leiche verbrannte der Manager später am Feringasee. „Es war kein tragischer Unfall, sondern vorsätzlicher Mord“, urteilte Höhne nach wochenlangem Prozess – und stellte auch die besondere Schwere der Schuld fest. Weil Konstantin V. seit Monaten eine Geliebte hatte, habe er seine Lebensgefährtin „aus dem Weg räumen wollen“, lautete die Begründung. „Der Angeklagte entschloss sich, die Probleme auf seine Weise zu lösen.“ Typisch Höhne: Seine Urteile lassen nicht den Hauch eines Zweifels offen. Immer ergründet er die Geschichte eines Verbrechens – und auch den Menschen dahinter.

Für seine ausdauernde Verhandlungsführung wurde Höhne bekannt: Nicht selten befragte er Angeklagte stundenlang zu deren Leben, bevor über die eigentliche Tat gesprochen wurde. So baute der Richter Vertrauen auf – zu Menschen, die oft grausige Verbrechen begangen hatten.

Am Landgericht legte der Richter im wahrsten Sinne des Wortes eine Mordskarriere hin. „Als Schwurgerichtsvorsitzender hatte ich fast neun Jahre lang die Verantwortung für eine der spannendsten Aufgaben, die die Justiz in München zu übertragen hat“, sagt Höhne. Seine Bilanz: Es waren „neun Jahre voller unfassbarer Einzelschicksale, menschlicher Abgründe, erschreckender und brutaler Gewalt, entscheidender Fortschritte im Bereich der Technik und Kriminalistik, gewachsener Ansprüche an die Justiz und deren Strafurteile. Neun Jahre ohne auch nur einen Tag Langeweile und rückblickend mit dem Fazit, dass das Leben und die Realität oft unglaublicher sind als erdachte Krimi-Drehbücher.“

Zum 1. Mai wechselt Höhne nun zum Oberlandesgericht und übernimmt den Vorsitz eines Staatsschutzsenates. Dort wird der Richter die nächsten Jahre vor allem Prozesse gegen Terroristen führen. Seine Nachfolgerin wird Elisabeth Ehrl (56), die bisher den Vorsitz an der 19. Strafkammer des Landgerichts hatte. „Ich freue mich auf die neue spannende Aufgabe“, sagt sie.

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