„Ich frage mich, wo die Zeit geblieben ist“

von Redaktion

Michael Stumpf über seine bislang zehnjährige Amtszeit als Leiter der Justizvollzugsanstalt Stadelheim

Seit zehn Jahren leitet Michael Stumpf die Justizvollzugsanstalt Stadelheim. Zum 125-jährigen Jubiläumstag spricht er im Interview über seine spannendsten, schönsten und traurigsten Momente.

Mit welchen Gefühlen begehen Sie das Jubiläum?

Die zehn Jahre als Behördenleiter sind im Eiltempo vorübergezogen. Am Ende vieler Arbeitstage frage ich mich, wo die Zeit geblieben ist. Im Grunde ist das aber nicht erstaunlich: Wir sind mit 1500 Gefangenen, allen Haftarten außer Sicherungsverwahrung und Abschiebehaft, über 650 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vermutlich das größte deutsche Gefängnis überhaupt.

Auf was sind Sie besonders stolz?

Es gibt immer wieder Ereignisse, über die ich mich sehr freue. Dazu gehört gleich zu Beginn meiner Amtszeit der Umzug von der maroden und beengten Frauenabteilung am Neudeck in ein modernes, zeitgemäßes Gebäude. Gefreut habe ich mich auch, als der Landtag grünes Licht für den Bau einer neuen Krankenabteilung gegeben hat. Vor Kurzem habe ich mich gefreut, weil wir einen 30 Jahre alten Transporter Marke „Holzklasse“ durch einen neuen Bus mit Klimaanlage ersetzen durften, mit dem meine Mitarbeiter Gefangene zu Gerichtsterminen fahren. Ich freue mich auch, wenn sich ehemalige Insassen melden und berichten, wie es ihnen nun geht.

Was war das traurigste Erlebnis Ihrer Amtszeit?

Persönlich betroffen bin ich, wenn ein Gefangener in Haft stirbt. Sehr traurig bin ich auch, wenn Mitarbeiter aus dem aktiven Dienst oder im Ruhestand sterben.

Gab es einen Ausbruch, während Sie JVA-Leiter waren?

Da muss ich jetzt lange zurückdenken. Es gab einen Ausbruchsversuch bei Nacht, der aber rechtzeitig entdeckt wurde. Große Sorge hatte ich vor allem während der letzten beiden Jahre, als wir bei laufendem Betrieb die Anstaltsmauer saniert und einen inneren Sicherheitszaun gebaut haben.

Mussten Sie mal eine Person, die Sie privat kannten, als Insasse begrüßen?

Das war bereits bei meiner früheren Tätigkeit hier der Fall – etwa um die Jahrtausendwende habe ich einen ehemaligen Kameraden aus meiner Bundeswehrzeit bei den Bad Reichenhaller Gebirgsjägern hier getroffen. Er war ein wenig erschrocken, mich zu sehen. Wir haben ihn gleich in eine andere Abteilung verlegt, damit ich nicht für ihn zuständig war.

Welche Veränderungen in der JVA wünschen Sie sich für die Zukunft?

Da gibt es noch eine ganze Reihe. Wichtig wäre mir eine weitere personelle Verstärkung. Ich setze mich auch seit Jahren dafür ein, dass zwei Unterkunftsgebäude für zusammen etwa 400 Gefangene durch Neubauten ersetzt werden. Und: Ich würde auch gerne die recht langen Zeiten verkürzen, an denen die Gefangenen in ihren Hafträumen eingeschlossen sind.

Interview: Andreas Thieme

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