Seit Kurzem hat die S-Bahn München einen neuen Service, und ich finde ihn toll. Wer in die S-Bahn steigt und Schmutz entdeckt, kann diesen mit einer Whatsapp-Nachricht an die Nummer 0157 / 92 39 74 31 sofort melden. Laut Beispiel-Chat auf der Internetseite der S-Bahn läuft das so: Man schreibt „S6 nach Tutzing. Kaffeefleck auf der Sitzgruppe, etwa Wagenmitte. Wagenummer 3170“, und flugs kommt die Antwort: „Danke! Wir schicken gleich unser Reinigungsteam vorbei!“ Großartig! Man stelle sich vor, so etwas würde in der eigenen Familie funktionieren: „Wohnzimmer-Südseite, mit Schokolade vollgeschmierte Playmobil-Figuren“. Antwort meines Sohnes: „Danke! Mache ich gleich sauber!“
Vor allem das eilfertige „gleich“ ist magisch, weil ungewohnt von der S-Bahn. Meldungen wie „in Kürze“ kann man als Pendler mittlerweile einordnen (plus etwa 5 Minuten) oder „verspätet sich auf unbestimmte Zeit“ (nicht unter 30 Minuten). Aber „gleich“, das klingt verlockend nach „sofort“, fast danach, als würde der S-Bahnfahrer eine Notbremsung einlegen, auf offener Strecke halten und persönlich mit dem Wischmob den Gang hinunterlaufen, um den Kaffeefleck herauszuarbeiten.
Ja, genau, wer bekommt eigentlich die Nachrichten? Am Ende der 32-16-8 sitzt seit „Skandal im Sperrbezirk“ die Rosi. Und an der 0157 / 92 39 74 31? Wahrscheinlich stand in der Stellenausschreibung etwas Hippes wie: „Magst Du Whatsapp und bekommst gern Fotos von Deinen Freunden? Dann bewirb Dich jetzt bei der S-Bahn-München! Du arbeitest in einem innovativen Team blablabla“. Dann hat man den Job, gibt im Freundeskreis an, dass der eigene Job sei, Whatsapp-Nachrichten zu bekommen und zu beantworten – „ist doch meeega, oder???“. Und dann sitzt man am ersten Tag da und bekommt Nachrichten wie „Kaffeefleck auf der Sitzgruppe“, „Stracciatella-Eis am Boden“, „Zahnspange im Polster“. Und erst die Nachtschicht! Und die Wiesn! Und die Fotos!
Noch schlimmer als all das sind vermutlich Leute wie ich, die sachfern und dämlich nachfragen: „Gilt das mit den Hinweisen auf Schmutz tatsächlich nur für die S-Bahn oder ggf. auch für den eigenen Wohnbereich?“ Antwort des armen Menschen am Ende der 0157/92 39 74 31: „Danke für Ihre Nachricht. Wir sind gleich persönlich für Sie da.“ Und dann kamen noch ein paar Whatsapps mit Datenschutzinformationen und dem Versprechen: „Nach Erledigung werden wir Ihre Rufnummer bei uns löschen.“ „Nach Erledigung“ – es besteht also noch Hoffnung. Das wäre doch richtig innovativ: Die Bahn verlost unter allen, die monatlich treuherzig Verunreinigungen melden, einen kompletten Putzgang durch Haus oder Wohnung. Ich denke da an Staubhügel unterm Bett, Fauna und Flora im Siphon, das Chaos in der Garage. Liebe 0157/92 39 74 31, Du hast ja meine Nummer. Und nichts für ungut.
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