Rechtsanwalt Markus Klamert und der Volkswagen-Konzern liegen im Dauerclinch. Bis zu 4000 Fälle vertreten der Münchner und seine Kanzlei KMP3G derzeit im Abgasskandal. Jetzt hat er erstmals mit seinem Kollegen Marc Frey einen Sieg mit Signalwirkung vor dem Münchner Oberlandesgericht errungen.
Geklagt hatte dort ein Käufer aus Günzburg – und erhielt Recht: Das Gericht wies ihm nicht nur Schadensersatz zu, sondern stellte darüber hinaus auch eine „vorsätzliche sittenwidrige Schädigung“ des Käufers durch VW fest. Für den Konzern eine schmerzhafte Niederlage, denn das Urteil könnte in dieser Deutlichkeit eine Signalwirkung für tausende andere Kläger in Bayern haben. Markus Klamert wertet es gar als „Sensation“. Denn das Oberlandesgericht benennt VW im Urteil als Hauptverantwortlichen des Abgasskandals – und das, obwohl der Kläger einen Audi Q3 fuhr. Demgegenüber hatte das Landgericht Memmingen die Klage zunächst abgewiesen, weil der Volkswagen-Konzern angeblich der falsche Beklagte gewesen sei.
Die Münchner Richter aber sahen das aber anders – und watschten Volkswagen kräftig ab. Im Urteil, das unserer Zeitung exklusiv vorliegt, heißt es: Das Inverkehrbringen der betrügerischen Umschaltlogik stelle „eine konkludente Täuschung dar“, da sie in der Kenntnis erfolgt sei, dass die Audi AG als Konzerntochter von Volkswagen die Käufer nicht über den Mangel informiert hat – und sehenden Auges verkaufte.
Gekauft hatte der Kläger das Fahrzeug im Mai 2015 für 30 990 Euro als Neuwagen. Das Oberlandesgericht sprach ihm letztlich 17474,27 Euro Schadensersatz zu. „Durch dieses Urteil der obersten Gerichtsinstanz im südbayerischen Raum wird für die Verbraucher Rechtssicherheit geschaffen“, sagt Klamert. Betroffene des Abgasskandals könnten nun „mit großer Sicherheit davon ausgehen“, dass eine Klage gegen VW oder Audi „erfolgreich endet“. Eine Klage ist grundsätzlich immer möglich – selbst, wenn ein Software-Update durchgeführt wurde. Egal, ob das Fahrzeug gebraucht oder neu ist.
Volkswagen gibt sich nach dem Urteil kämpferisch. „Wir halten das Urteil für falsch und werden Revision einlegen“, sagt Unternehmenssprecher Christopher Hauss. Markus Klamert zufolge kann und wird das Einfluss auf die Musterfeststellungsklage haben.
Hauss dagegen betont: Urteile auf der oberlandesgerichtlichen Ebene werde es mit fortschreitender Zeit immer wieder geben. Diese könnten für und gegen Volkswagen oder die Händler ausfallen. „Klarheit zu bestimmten Rechtsfragen erwarten wir erst durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs.“
Gegenwärtig sei vor dem Bundesgerichtshof ein Verfahren gegen die Volkswagen AG anhängig, das in beiden Vorinstanzen zugunsten von VW entschieden wurde. Allerdings handele es sich hierbei um ein Verfahren, das vor dem Oberlandesgericht Braunschweig verhandelt wurden – gerade im regionalen Einzugsgebiet entscheiden die Gerichte immer wieder zugunsten des Autobauers. Im Rest des Landes sieht es teilweise anders aus. Nach Angaben von VW gibt es bundesweit derzeit 83 Entscheidungen von Oberlandesgerichten: „Davon sind 65 zugunsten von Volkswagen bzw. der Händler ausgefallen“, sagt Christopher Hauss.
Das OLG München hatte bisher sieben Urteile im Abgasskandal gefällt (davon vier Klagen direkt gegen Volkswagen), von denen alle zugunsten von Volkswagen bzw. der Händler gesprochen wurden. Erstmals verlor der Konzern nun in München. Für dieses Verfahren könnte eine erste mündliche Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof voraussichtlich noch vor Mitte nächsten Jahres stattfinden. Endgültige Rechtssicherheit wird es erst danach geben.