In einem Fall, der tragischer kaum sein könnte, wurde Alwin M. (33) zum Helden. Auf der Wasserburger Landstraße zog er eine schwer verletzte Frau aus einem Autowrack, während ihm die Flammen ins Gesicht schlugen. Danielle L. (71) konnte der Sicherheitsmann noch retten, doch die übrigen drei Insassen starben am 16. September 2017, nachdem ein BMW X5 ungebremst von hinten in ihren Opel Corsa gefahren war. Der Kleinwagen war weggeschleudert worden und in Flammen aufgegangen.
Mehr als zwei Jahre später berichtet Alwin M. als Zeuge am Amtsgericht über den Vorfall. Wie er gegen 19.30 Uhr stadteinwärts fuhr. Wie die Ampel auf Grün schaltete. Wie der BMW an ihm vorbeischoss. „Mit deutlich mehr als 100 km/h“, sagt der spätere Retter. „Es knallte laut, ich lief sofort zum Unfallort.“
Dort bot sich ihm ein Bild des Schreckens: „Die Fahrertür ließ sich noch öffnen, überall war Feuer. Ich sah die Frau, löste ihren Gurt und versuchte sie anzuheben. Dabei hat es mir die Haare im Gesicht weggesengt. Sie war ansprechbar, ihr Fuß fast komplett abgetrennt.“ Am Ende gelang die Rettung. Doch die beiden Kinder der Frau starben, ebenso der vierte Insasse. Beim Unfall wurden sie regelrecht zerrissen, wie Richterin Bettina Dettenhofer in der Verhandlung erklärt. „Es ist einer der schwersten und schlimmsten Verkehrsunfälle der vergangenen Jahre in München.“
Bei Alwin M. bedankt sie sich: „Ihre Zivilcourage war vorbildlich.“ Jean-Pierre L., Ex-Mann der Überlebenden und Vater zweier Opfer, umarmt den Retter. „Von Herzen danke für Ihren Einsatz.“ Es sind rührende Szenen der Mitmenschlichkeit.
Ohne jede Regung sitzt dagegen der BMW-Fahrer auf der Anklagebank. Nestor P. (62) ist wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Zur Tat macht er keine Angaben, angeblich kann er sich an nichts erinnern. Den Angehörigen der drei Opfer, die zahlreich zum Prozess kamen, lässt er über seinen Anwalt ausrichten: „Es tut mir sehr leid, ich hätte nicht in das Auto steigen dürfen.“ Und: „Bitte nehmen Sie meine Entschuldigung an, ich bin ein gebrochener Mann.“
Was mit ihm los war, kann am Ende auch das Gericht nicht klären. Nestor P. ist gesund, trinkt keinen Alkohol, nicht einmal eine Brille braucht er. Und trotzdem hatte er vor dem Unfall stark beschleunigt, wie etliche Zeugen bestätigen: „Man hörte den Motor richtig aufheulen. Der Unfallort glich einem Schlachtfeld aus Trümmern.“ Währenddessen wirkt Nestor P. im Gerichtssaal abwesend. „Auch nach dem Unfall war er völlig ruhig und wirkte in sich verschlossen“, sagt ein Polizist. „Er hatte nur Angst, dass er eingesperrt wird.“
Am Ende stand das härtest mögliche Urteil für Nestor P., das das Amtsgericht aussprechen konnte: vier Jahre Haft. „Sie hätten vier Sekunden Zeit gehabt, um abzubremsen“, sagt Richterin Dettenhofer. „Dadurch hätte der Unfall verhindert werden können.“ Ein Vorsatz, wie etwa im Falle von Raser Victor B. (34) aus Laim, sei jedoch nicht nachweisbar – daher kam es nicht zur Mordanklage. Zum Unverständnis der Angehörigen. Sie sagten unter Tränen: „Unser Schmerz ist grenzenlos. Kein Urteil kann wiedergutmachen, was passiert ist.“