Fröhlich schließt Jean-Pierre L. seine Kinder in die Arme. Es ist ein Bild voller Liebe. Doch eines der letzten, auf denen die beiden am Leben sind. Denn Raser Nestor P. (62) verursachte einen Unfall, bei dem Ann-Sophie (29) und Julien T. (36) starben: Mit seinem BMW X5 fuhr er am 16. September 2017 über die Wasserburger Landstraße – und rammte den Opel Corsa mit 122 Stundenkilometern von hinten. Darin saßen Jean-Pierre L.s Kinder und starben, als ihr Auto meterweit geschleudert wurde und in Flammen aufging (wir berichteten).
„Dieser Mann hat mir alles genommen“, sagt Jean-Pierre L. „Meine Trauer und mein Schmerz sind grenzenlos.“ Seine beiden Kinder musste der Franzose beerdigen. Auch der Verlobte der Tochter, Baptiste D. (29), starb bei dem Unfall. „Sie wollten heiraten“, sagt der Vater. Sein Blick wird glasig, er wischt sich eine Träne weg. „Sie waren so ein tolles Paar. Ihnen wurde die Zukunft genommen.“
Seine Ex-Frau Danielle überlebte den Unfall schwer verletzt – Ersthelfer Alwin S. (33) hatte sie aus dem brennenden Wrack gerettet, er wurde vorgestern am Rande des Prozesses am Amtsgericht als Held gefeiert.
Doch vor Gericht kam es auch zu bangen Momenten. Im vollen Sitzungssaal musste Richterin Betina Dettenhofer die Obduktionsergebnisse vorlesen – im Angesicht der Angehörigen, die bitterlich weinten, aber anwesend bleiben wollten. Sie kritisierten hinterher das Urteil: „Es war Mord!“ Verurteilt wurde Raser Nestor P. aber wegen fahrlässiger Tötung – er erhielt die am Amtsgericht höchstmögliche Strafe von vier Jahren Haft. „Eine Schande“, findet Jean-Pierre L. Rechtlich war das Urteil jedoch nachvollziehbar: Denn im Unterschied etwa zu Raser Victor B. (34), der vor zwei Wochen in Laim vor der Polizei geflohen war und einen Buben (14) totgefahren hatte, war bei dem Fall in Waldtrudering „kein Vorsatz nachweisbar“, erklärte Oberstaatsanwältin Anne Leiding. „Gerade auf die Motivation des Täters kommt es aber an.“
Für die Angehörigen ist das in ihrem Schmerz schwer verständlich. Jean-Pierre L. sagt: „Wer mit 122 km/h durch die Stadt fährt, der nimmt in Kauf, dass andere dadurch zu Tode kommen.“ Er überlegt nun, Berufung gegen das Urteil einzulegen – und fordert einen neuen Prozess am Landgericht, der eine lebenslange Haftstrafe für Raser Nestor P. nach sich ziehen könnte.
Besonders bitter bleibt: Die Franzosen waren in München zu einer Geburtstagsfeier eingeladen und fuhren nur wenige hundert Meter weit mit dem Auto, bis Nestor P. sie an der Ampel rammte. Ihm kann Jean-Pierre L. nicht verzeihen. „Der letzte Wunsch in meinem Leben ist, dass dieser Mann nie wieder in Freiheit sein darf.“
Im Prozess hatte Nestor P. sich über seinen Anwalt bei den Hinterbliebenen der Opfer entschuldigt. An den Unfall hat er angeblich „keine Erinnerung“. Ob es ein Blackout war oder ein Fahrfehler: Auch das Gericht konnte die Tat letztlich nicht aufklären. „Das war für mich das Schlimmste“, sagt Jean-Pierre L. Eine Erklärung, warum seine Kinder sterben mussten, wird er wohl nie erhalten.