Schon die Uraufführung des Ein-Personen-Stücks „Der Kontrabass“ (siehe Kasten) hat Nikolaus Paryla (80) gespielt. Somit geht der österreichische Schauspieler ins 40. Rollenjahr als einsamer Kontrabassist. Am Montag und Dienstag steht er drei Mal auf der Bühne des Volkstheaters (Infos und Karten unter Tel. 089 / 523 46 55).
Herr Paryla, hängt Ihnen das Stück mittlerweile nicht ein bisserl zum Hals raus?
Überhaupt nicht. Ein-Personen-Stücke haben eine große Tradition. In der Commedia dell’arte etwa haben Künstler ihr Leben lang den Harlekin gespielt. Das ist ganz in Ordnung.
Wie ändert sich die Rolle?
Der Maßstab wird strenger. Ich lasse überflüssige Kleinigkeiten weg. Der Mensch wird halt älter und damit tröpfchenweise ein bisserl weiser. Aber das sind Nuancen.
Wächst man als Nicht-Musiker über die Jahre mit dem Instrument zusammen?
Das passierte schon sehr früh. Leider wollte die Oper ihr altes Instrument wieder zurück, jetzt habe ich ein anderes. Der Kontrabass ist wie ein altes Möbelstück. Fast wie ein Tier, es lebt ein bisschen. Ist ja auch aus Holz.
Könnte man Sie um 4 Uhr morgens wecken und Sie sprechen das Stück auswendig?
Nicht ganz. Ich muss es etwa zehn Mal durcharbeiten. In letzter Zeit war ja immer ein Jahr ohne Kontrabass dazwischen. Aber zwischen Spielen und Vorspielen ist auch ein Unterschied. Diesmal hätte ich es fast nicht geschafft.
Warum nicht?
Ich habe mir vor zwei Monaten die Hüfte gebrochen.
Und da sind Sie jetzt schon wieder fit?
Ja. Ich habe zwar nie Sport gemacht, aber mein Leben lang Gymnastik.
Klingt sehr diszipliniert.
Das habe ich in die Wiege gelegt bekommen. Ich bin in Zürich aufgewachsen, meine Eltern waren Schauspieler, der Regisseur Fritz Kortner war der beste Freund meines Vaters. Ich bin permanent im Zürcher Schauspielhaus herumgewuselt, die großen Mimen jener Zeit waren meine Babysitter. Die Giehse, Ginsberg, Bassermann – ich bin unter diesen Stars aufgewachsen, dafür bin ich mein Leben lang dankbar.
Können Sie dieses Erbe heute weitergeben?
Ich habe keine Schauspielschule, das sollen andere mehr oder weniger gut erledigen. Aber ich kann es an meine Kinder und deren Kinder weitergeben. Ich finde, man hat sogar die Pflicht dazu.
Auch Ihre Frau Undine Brixner ist Schauspielerin. Macht es das leichter oder schwerer?
Leichter, das war auch bei meinen Eltern so. In dem Augenblick, wo wir arbeiten, sind wir Teile des Ensembles. Entscheidend ist die Qualität, und die steigt, wenn man nach dem ersten Satz weiß, was der andere meint. Ich kenne Kollegen, deren Eltern auch Künstler waren, und die sagen: „Das war furchtbar!“ Ich kann das nicht verstehen.
„Kontrabass“ zum 40. Was hat sich geändert?
Das ist noch wie bei der Premiere. Die Zeit ist anders, und je mehr man weiß, desto unsicherer wird man, wie schon Sokrates sagte. Aber das kann man ausnutzen.
Wie?
Indem man das Konglomerat an Fehlern, die man gemacht hat, zusammenfügt und daraus lernt.
Wird man im Alter gelassener auf der Bühne?
Wissen Sie, der Beruf hat sehr viel mit Liebe zu tun. Das klingt kitschig, ist aber nicht so gemeint. Seit 2500 Jahren sehen Schauspieler in funkelnde Augen, wenn sie die Bühne betreten. Wenn man da seinen Beruf nicht liebt, dann muss man abtreten. Ich spüre, dass die Liebe zurückkommt. Der Mensch ändert sich nicht. Internet, Handy – das ist nur die Oberfläche. Nach zehn Minuten sieht man wieder in den hoffnungsvollen, sehnsuchtsvollen, denkenden Menschen.
Wie viel Kontrabassist steckt in Ihnen?
Ich habe zumindest nicht den Kampf gegen ein falsch gelebtes Leben. Gut, ich wollte früher auch mal Zoologe oder Astrophysiker werden. Aber die Schauspielerei ist eines der wenigen Dinge, die ich richtig gemacht habe. Und unterscheidet sich ja auch nicht so sehr von früheren Träumen: Sie ist animalisch und kosmisch.
Sie haben den Schluss des Stücks optimistischer gestaltet – der „Held“ schöpft neue Hoffnung…
Er hat den Mut, Neues zu beginnen. Das hat der Süskind auch akzeptiert – nach drei Jahren. Wir sind ja auf hohem Niveau verzweifelt; nicht existenziell, wie es Millionen Menschen sind, die um ihr Leben fürchten. Ich will zeigen, dass es für uns immer einen Ausweg gibt. Verzweifeln kommt von Zweifel, und die kann man glätten. Hinter dem grauen Himmel ist es blau.
Ihr Wort in Gottes Ohr.
Er hat’s gehört. Ich verspreche Ihnen, dass die Sonne wieder scheinen wird.
Interview: Matthias Bieber