Flüchtlingsfamilie abgezockt

von Redaktion

Der Fall löst im Wohnungsamt, beim Maklerverband und bei UNICEF-Helfern Empörung aus: Ein Makler hat die Not eines wohnungssuchenden Flüchtlingspaars ausgenutzt, um ohne Gegenleistung eine Gebühr zu kassieren – widerrechtlich, wie der Mieterverein München betont.

VON SUSANNE SASSE

2500 Euro. Ahmad Z. hat nicht so viel Geld. Aber der 29-jährige Flüchtling aus Syrien hat alles in Bewegung gesetzt, um diese hohe Summe aufzutreiben. Freunde angepumpt, einen Ring seiner Frau verkauft. Im November hatte ihm ein Makler für diese „Reservierungsgebühr“ von 2500 Euro versprochen, ihm und seiner Frau, die in Syrien als Frauenärztin arbeitete und hier vor sechs Monaten Zwillingsmädchen das Leben schenkte, eine Wohnung in München zu vermitteln. Damit die junge Familie endlich rauskann aus der Bayernkaserne, in der sie seit zwei Jahren untergebracht ist. Doch jetzt ist das Geld weg – und eine Wohnung nicht in Sicht, obwohl das Wohnungsamt eine Bruttokaltmiete von 1200 Euro übernehmen würde.

Der Makler, dem Ahmad das Geld gab, fuhr einen großen Luxuswagen und sprach neben Deutsch fließend Arabisch. Doch in dem Mietvertrag, den der Makler zur Genehmigung beim Wohnungsamt einreichte, fehlten wichtige Daten wie die Miethöhe, schreibt das Wohnungsamt der Stadt München. Nun will Z. die 2500 Euro „Reservierungsgebühr“ vom Makler zurück. Unterstützung bekommt er vom Sozialreferat der Landeshauptstadt: „Es wird weitere anwaltliche Hilfe für die Zurückforderung der ,Reservierungskosten‘ benötigt“, schreibt die Mitarbeiterin. Der Eindruck dränge sich auf, „dass es sich um einen unseriösen Makler handelt, der die Not und Unkenntnis einer anerkannten syrischen Flüchtlingsfamilie ausnutzt“.

Immerhin: Ahmad Z. hat viele Unterlagen, darunter Quittungen über die 2500 Euro. Doch ein Schreiben seines Anwalts an den Makler vom November blieb bis heute unbeantwortet. Die Redaktion bat den Makler schriftlich um Stellungnahme. Am Telefon erklärte er, dass er die 2500 Euro verlangt habe, weil ihn andere Flüchtlinge nicht bezahlt hätten. Um eine Abrechnung zu bekommen, müsse Z. seinen Maklervertrag widerrufen. Er solle ihm außerdem eine Kontonummer für die Rücküberweisung nennen. Auf die Frage, ob er weitere Kunden in der Bayernkaserne habe, wovon Ahmad gehört hat, antwortete der Mann, er wisse nicht, wo die Bayernkaserne überhaupt sei.

„Das ist eine Riesen-Frechheit, die Not der Familie so auszunützen“, sagt Marianne Dany. Die Rentnerin ist Mitglied der Münchner UNICEF-Arbeitsgruppe und betreut die syrische Familie seit drei Jahren. „Wir haben auf der Suche nach einer Wohnung eine Odyssee erlebt, die uns den Atem nimmt.“

Eine weitaus längere Odyssee war für Ahmad und seine Frau Nour, wie er 29 Jahre alt, die Flucht aus Syrien. Immerhin ging die gut aus. Kennengelernt haben sie sich 2010 in Syrien beim Medizin-Studium an der Universität in Damaskus. Nour war im zweiten Semester, Ahmad im ersten. Sie verliebten sich und heirateten 2012. Dann kam der Krieg. 2015 floh Ahmad aus Syrien, kam per Schlauchboot von der Türkei nach Griechenland und schlug sich auf der Balkanroute nach München durch, wo er 2015 ankam. Sein Medizinstudium hatte er im sechsten Semester abbrechen müssen. Seine Frau studierte zu Ende und arbeitete in Damaskus auch als Gynäkologin, bis sie ihrem Mann nach München folgte.

Deutsch können die beiden inzwischen, Ahmad hat Ende November die Prüfung zum Grad B 2 absolviert. Er würde hier gerne weiter studieren – Medizin oder auch Bioinformatik oder Pharmazie. „Und wenn das alles nichts wird, fange ich in einem Hotel an“, sagt er. Tatendrang hat er –und gute Chancen, sich ein Leben in Deutschland aufzubauen. Nur eine Wohnung fehlt noch zum Neuanfang.

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