Lebendig, authentisch, anders

von Redaktion

Kreativ, urban, innovativ – mit dem Werksviertel-Mitte hat sich in München ein neues Trend-Quartier entwickelt, das mittlerweile überall Beachtung findet und sogar als eigener Städte-Tipp angepriesen wird. Am Freitag hat hier der Berliner Quatsch Comedy Club eine Filiale eröffnet.

VON CARMEN ICK-DIETL

Internationale Street-Art-Kunst, lässige Bars, kreative Geschäftskonzepte und sogar ein Riesenrad – unweit des Zentrums hat sich ein neues Trendviertel entwickelt. „Das Werksviertel-Mitte ist ein internationales Konzept mit nationalen Wurzeln. Man fühlt sich hier zwischen München und Brooklyn“, sagt Thomas Hermanns, Chef des legendären Berliner Quatsch Comedy Clubs (QCC) über das Quartier in Berg am Laim. Er freue sich „wie ein Schnitzel“, hier jetzt einen Club zu eröffnen, in dem die besten Comedians der nationalen und internationalen Comedy-Szene das Mikrofon in die Hand nehmen. Am Freitag wurde „o’glacht“, nun heißt es jedes Wochenende: „Früher Pfanni, heute funny.“

Eingezogen ist QCC in die Nachtkantine. Früher trafen sich hier die Beschäftigten der Pfanni-Produktion, heute ist sie Veranstaltungsort für diverse Events, Kurse und Unterhaltungsformate. Genau das gehört zum besonderen Charme des neuen Trend-Quartiers. Bloß keine Retorte, nur nicht konservativ, sondern lebendig und authentisch. Einfach im positiven Sinn „anders“.

So pflegt das Viertel einen spielerischen Umgang mit seiner industriellen Kartoffel-Vorgeschichte. Bauten tragen die Bezeichnung „Werk“, Straßen haben Namen wie „Knödelplatz“, „Püreeallee“ oder „Am Kartoffelgarten“, auf den alten Eisenbahnschienen können Sitzgelegenheiten hin und her geschoben werden. Selbst das Pflaster ist von damals. Als man für die Platz-Gestaltung weitere Steine benötigte, stellten die Architekten enttäuscht fest, dass die alten Original Münchner Klinker nicht mehr hergestellt werden. Pfanni-Erbe und Areal-Eigentümer Werner Eckart kaufte kurzerhand das Patent und die Fabrikation auf, um den Platz in der früheren Optik erhalten zu können. Auch die Signalfarbe Orange – ein altes Pfanni-Markenzeichen – taucht immer wieder auf.

Gleich am Eingang an der Friedenstraße steht das „Container-Collective“, eine Pop-up-City aus 27 ausgemusterten Überseecontainern, kreuz und quer übereinander gestapelt, umgebaut und bunt bemalt bieten sie ein neues Zuhause für Läden, Start-ups, Ateliers und Kneipen. Die „Knödel-Alm“ gleich daneben wirkt wie eine Persiflage: Eine „typisch bayerische“ Almhütte mit Hirschgeweih am Holzbalkon, die als Eventlocation fungiert.

Gerade die Gratwanderung zwischen Tradition und Moderne macht das Werksviertel-Mitte so interessant. Das neue Quartier hat sich zum Ziel gesetzt, München zu prägen. „Urbanität entsteht nicht durch Homogenität“, lautet die Maxime. Man will „die Vielfalt des Besonderen“, eine bewusste Durchmischung von Münchnern und Touristen, von Hoch- und Subkultur. Das Werksviertel soll rund um die Uhr für jedes Alter und jeden Geldbeutel etwas bieten. Das bayerische Wirtshaus neben dem Thai-Imbiss, die Kaffeerösterei neben der Gin-Brennerei, das neue Konzerthaus neben dem Schlagergarten. Vor 13 Jahren im legendären Kunstpark-Ost gegründet und belächelt, hat sich der Garten zum absoluten Mekka der Schlagerfans entwickelt. Gerade ist er vom Rand des Geländes ins Zentrum, ins Werk 12, umgezogen.

Das Gebäude mit der Comic-Sprache auf der Fassade stammt vom niederländischen Star-Architekten Jacob van Rijs. Bei seinem ersten Besuch im Werksviertel erlebte er eine ganz andere Seite von München. „Rau, wild und etwas verrückt, dabei so nah am gepflegten und eleganten Zentrum.“ Das neue Stadtquartier sei ein Glücksfall. Gute Architekten seien bereit, „Typologien zu hinterfragen und neu zu erfinden, um sie weiterzuentwickeln und schließlich zu verbessern“. Doch dafür brauche man engagierte und mutige Bauherren wie Werner Eckart, der auch einen gesunden Humor habe.

Dieser Humor zeigt sich an Werk 3. Im ersten Stock hat gerade der Star-Club Munich, ein Nachtclub des holländischen Bierbrauers Heineken mit In-Status, eröffnet. Ein paar Stockwerke obendrüber, auf dem Dach des Gebäudes, steht eine Almhütte. „Wir sind da oben gesessen und ich hatte schon ein paar Bierchen intus, da habe ich plötzlich Schafe gesehen“, erzählt Thomas Hermanns. Als ihm klar wurde, dass die Tiere echt waren, war die Münchner QCC-Filiale für ihn eine ausgemachte Sache.

Auf dem künftigen Areal des Konzertsaals dreht sich als Zwischennutzung langsam das Riesenrad „Hi-Sky“ – wie ein Symbol für das gesamte Werksviertel. Permanente Veränderung ist längst zum Markenzeichen des Quartiers geworden. Es geht konsequent seinen eigenen Weg in Richtung Zukunft. Da ist auch nicht schlimm, wenn mal was nicht funktioniert. Wie das Musical-Theater in Werk 7. Nach nur zwei Produktionen hat Stage Entertainment aufgegeben. Jetzt gibt es einige kleine Umbaumaßnahmen, danach sollen hier voraussichtlich ab März Konzerte, Veranstaltungen und andere kulturelle Formate stattfinden. Die Baustelle gleich nebenan sieht spektakulär aus. Ein riesiger Turm wächst aus dem früheren Kartoffelsilo in die Höhe. Für Werk 4 werden Geschäfte, eine Kletterhalle, ein Hostel und als Krönung noch ein Luxushotel insgesamt 86 Meter hoch aufeinandergestapelt. Es soll noch in diesem Jahr eröffnet werden.

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