Aber bitte mit Karte

von Redaktion

Die Verunsicherung in Zeiten von Corona ist groß – so groß, dass die Deutschen sogar an ihrem liebsten Zahlungsmittel zweifeln: dem Bargeld. Immer mehr Läden fordern ihre Kunden auf, auch Kleinstbeträge mit der Karte zu bezahlen. Ob Coronaviren wirklich über Bargeld übertragen werden, ist unter Fachleuten umstritten.

VON MIRIAM HEINRICHS UND MARC KNIEPKAMP

Die Banken in Bayern sehen weder die Bargeldversorgung noch den Zahlungsverkehr durch die Verbreitung des Coronavirus gefährdet. „Es gibt keinen Grund, Bargeld zu hamstern“, sagte Jürgen Gros, der Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern. Ein weiterer Grund, der gegen das Hamstern von Bargeld spricht: Immer mehr Geschäfte wollen in der Corona-Krise nur noch Kartenzahlungen akzeptieren – aus Hygienegründen.

Bäcker Rischart am Hauptbahnhof: Hier, wo sich viele Münchner ihre Semmeln holen, zahlt man normalerweise in bar – schließlich geht es meist nur um kleine Beträge. Jetzt ist alles anders. In Zeiten von Corona bittet der Bäcker um Kartenzahlung. Es ist nur eine von mehreren Maßnahmen zur Risikominderung, andere sind etwa das Aufstellen von Plexiglas-Wänden und Markierungen auf dem Boden.

Auch große Discounter wie Aldi wollen den Kontakt zwischen Kunden und Personal möglichst vermeiden – aus Angst vor einer Corona-Ansteckung. „Wir animieren die Kunden, verstärkt kontaktlos und mit Karte zu bezahlen“, bestätigt Aldi-Pressesprecherin Nastaran Amirhaj. In einer Aldi-Filiale in Fürstenfeldbruck hat Jutta Weber (60) gestern Erfahrung mit dieser neuen Praxis gemacht: Sie konnte ihren Einkauf erst nach langem Hin und Her bar bezahlen.

Die Angst vorm Bargeld scheint, zumindest was die Übetragung von Coronaviren betrifft, eher unbegründet. Zwar hatte der Schweizer Leiter der Sektion Impfempfehlung und Bekämpfungsmaßnahmen im Bundesamt für Gesundheit Banknoten als Virenschleudern gebrandmarkt. „Viren auf Banknoten können eine Gefahr darstellen, wenn man sich nach dem Anfassen nicht die Hände wäscht und ins Gesicht greift“, sagte Witchi in der Wirtschaftswoche – und verwies auf Influenzaviren, die sich seinen Untersuchungen zufolge 17 Tage lang auf Banknoten halten. Deutsche Experten sehen das anders.

„Das auf dem Geldstück klebende Virus würde ich mal weitgehend vergessen“, sagte etwa der Virologe Christian Drosten in seinem NDR-Podcast. Der Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité erläuterte, bei Corona- und Influenzaviren handele es sich um behüllte Viren. Diese seien gegen Eintrocknung „extrem empfindlich“. Anders sei es bei Schnupfenviren, die unbehüllt seien und weniger empfindlich gegen Eintrocknung. Diese würden eher mit den Fingern in die Nase gebracht und könnten dort für Infektionen verantwortlich sein. Bei Coronaviren erfolge eine Infektion dagegen meist über den Rachen – „und wir stecken uns den Finger nicht in den Hals“, so Drosten.

Trotzdem hatten chinesische Banken im Februar alte Geldscheine in Quarantäne geschickt. Alle gebrauchten Geldscheine würden desinfiziert, hieß es von der Zentralbank. Diese Banknoten würden versiegelt und für sieben bis 14 Tage eingelagert. René Gottschalk, der Leiter des Frankfurter Gesundheitsamts hält die Option, Bargeld unter Quarantäne zu stellen, aus virologischer Sicht für „völlig überzogen“. Auch von Münzen gehe keine Gefahr aus. „Viren mögen die metallische Oberfläche nicht“, sagt Gottschalk. Es sei nicht pauschal zu sagen, wie lange Viren auf Oberflächen überleben können. „Jedes Virus, jede Oberfläche ist anders.“

City-Partner, der Verein der Münchner Innenstadt-Händler, hat bislang keine Empfehlungen ausgesprochen. „Generell ist es aber so, dass im Zentrum ohnehin schon ein großer Teil mit Kreditkarte bezahlt wird“, sagt City-Partner-Chef Wolfgang Fischer. Und dieser Trend verstärkt sich wegen der Virus-Angst.

Marta Polza, Filialleiterin eines Kosmetikgeschäfts im Hauptbahnhof, berichtet, das Interesse am Zahlen mit Kreditkarte sei deutlich gestiegen: „Aktuell zahlt fast jeder mit Karte.“ Für sie und ihre Kolleginnen sei es angenehmer. Hier konnte man aber weiter mit Bargeld zahlen – bis gestern, und ab heute ist eh geschlossen.

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