Eine Geistermetropole

von Redaktion

Das öffentliche Leben wirkt in der Metropole München wie eingefroren. Seit Samstagnacht gelten die neuen Vorschriften, die das Verlassen der eigenen vier Wände nur noch in Ausnahmesituationen erlauben. Trotzdem: Die Polizei ertappt immer noch Unbelehrbare.

VON SARAH BRENNER UND TINA LAYES

Stille macht sich breit. Die Tram fährt am späten Sonntagvormittag menschenleer zwischen Sendlinger Tor und Hauptbahnhof, auf der Straße sieht man in der Innenstadt vielleicht ein Dutzend Passanten. Bereits am Samstag war auf dem Marienplatz fast nichts mehr los. Plötzlich färben sich die Schaufensterscheiben blau – die Feuerwehr biegt um die Ecke. „Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger“, tönt es monoton aus dem Megafon. „Derzeit gelten strenge Ausgangsbeschränkungen. Bleiben Sie zu Hause.“ Und: „Zuwiderhandlungen werden hart bestraft.“

Was schon an diesem kalten Morgen beunruhigend wirkt, klang abends zuvor in den Wohnvierteln umso erschreckender für die Münchner, die nun ihre Häuser nicht mehr verlassen sollen. 15 Fahrzeuge patrouillieren mit den Durchsagen, um sicherzustellen, dass die Botschaft auch wirklich jeden Einzelnen erreicht.

So verstörend das alles wirkt, es ist doch real und notwendig, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Vor die Tür dürfen nur noch Menschen, die unbedingt draußen sein müssen. Zum Beispiel, weil sie das System am Laufen halten. So wie Peter Prantl und sein Sohn Philipp, die das Fernwärmenetz erneuern. Am Samstag buddeln die beiden gemeinsam mit ihren Kollegen an der Theresienstraße. Die ausgestorbene Stadt sei für Tiefbauarbeiten an sich gut, sagt Prantl senior, „weil sich alles viel schneller bewerkstelligen lässt, ohne ständiges Gehupe und Straßenstau“. Dennoch stellt er fest: „Die Stille, der Stillstand, das hat etwas Unheimliches an sich.“

Dass es still bleibt, dafür sorgt die Polizei – und sie hatte am Wochenende einiges zu tun: Mehr als 5300 Mal überprüften die Beamten bis Sonntagmorgen die Einhaltung der Ausgangsbeschränkung. 121 Verstöße stellten sie fest. Darunter waren kuriose Einsätze wie in einem Friseursalon an der Widenmayerstraße im Lehel. Vier Personen im Alter zwischen 21 und 50 Jahren waren dort – der Chef, zwei Angestellte und ein Kunde, dem gerade die Haare gewaschen wurden. Alle wurden wegen Verstößen nach dem Infektionsschutzgesetz angezeigt.

Weitere neun Menschen wurden beim Rauchen in einer Shisha-Bar an der Lindwurmstraße angetroffen. Sie hatten die Fenster von innen abgeklebt, rein ging’s nur durch die Hintertür. Der 31-jährige Betreiber zeigte sich laut Polizei „sehr unkooperativ“ und musste aufs Revier mitgenommen werden. Zudem wurde in einer Schwabinger Privatwohnung an der Sailerstraße eine Geburtstagsparty mit sechs Personen im Alter zwischen 24 und 33 Jahren aufgelöst.

Die Pandemie war auch Gegenstand von Schmierereien auf Parkbänken und Gebäudefassaden, etwa an der Schleißheimer Straße. Unter anderem fanden sich Sätze wie „Corona ins Parlament“, „Corona = Herrschaft“ oder „Wir lassen uns nicht einsperren“.

Diese Ansichten teilt Burghard Schellmann nicht. Der 77-Jährige ist am Samstag eine Runde mit seiner Hündin Emma um den Block gelaufen. „So gespenstisch die Situation auch ist“, sagt er, „die Maßnahmen sind absolut richtig. Wir haben das jetzt angefangen – und wir werden es auch zu Ende bringen.“

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