Parteifreunde lachen, fallen sich in die Arme. Jubelrufe hallen durch das Rund, es wird applaudiert. Wahlsieger sprechen euphorische Worte in Mikrofone, die Verlierer äußern sich zerknirscht. Doch auf derlei Szenen bei Wahlpartys mussten wegen der Corona-Pandemie gestern alle verzichten. OB Dieter Reiter (SPD) verbrachte den Wahlabend zu Hause, ebenso Kontrahentin Kristina Frank (CSU). Stille Freude bei dem einen, stille Trauer bei der anderen: Denn Rathaus-Chef Reiter bleibt für weitere sechs Jahre im Amt. Die ersten Auszählungen gestern Abend sahen den Amtsinhaber bei 71,4 Prozent, Konkurrentin Kristina Frank kommt demnach auf 28,6 Prozent. Freilich wird am heutigen Montag noch weiter ausgezählt, Reiters Vorsprung dürfte aber für einen Zieleinlauf locker reichen.
Die Corona-Pandemie sorgte auch in München für historische Momente. Die Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt fand einzig per Briefwahl statt. Die Wahlhelfer tragen beim Auszählen Mund- und Handschutz und halten Abstand zu den übrigen Freiwilligen. Der Resonanz auf die Wahl war dennoch sehr groß. Um 16 Uhr meldete das Wahlamt bereits rund 600 000 Wahlbriefe – bei 1,1 Millionen Wahlberechtigten. Das entspricht einer Beteiligung von rund 54 Prozent. Am Abend war sogar davon die Rede, die 60 Prozent zu erreichen. Bei der Kommunalwahl vor zwei Wochen lag die Beteiligung bei knapp 50 Prozent.
Schon vor zwei Wochen hatte sich im Grunde herauskristallisiert, wie die Stichwahl enden würde. Damals errang OB Dieter Reiter (SPD) 47,9 Prozent der Stimmen und verfehlte damit nur knapp die absolute Mehrheit. Kristina Frank kam auf 21,3 Prozent. Mitbewerberin Katrin Habenschaden (Grüne) wählten 20,7 Prozent.
Es war nun für den Rathaus-Chef auch die einfachere Konstellation – eben gegen die Kontrahentin von der CSU in die Stichwahl zu müssen. Die Inhalte sind trennscharf, wenn es beispielsweise um die Verkehrswende geht. Programmatisch liegt Reiter näher bei der Grünen-OB-Kandidatin Katrin Habenschaden. Und zum anderen: Wer vor zwei Wochen noch sein Kreuzchen bei der 42-Jährigen aus Aubing gemacht hat, wird gestern wohl nur in Ausnahmefällen Kristina Frank gewählt haben.
Frank sagte gestern Abend: „Ich möchte Dieter Reiter zum Wahlerfolg ausdrücklich gratulieren. Möge er unsere Stadt sicher und mit ruhiger Hand durch die stürmische Zeit, die noch vor uns liegt, lenken. Den Münchnern, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben, möchte ich von ganzem Herzen danken.“ In einer ersten Reaktion sagte Grünen-Fraktions-Chefin Habenschaden: „Ich glaube, dass das Ergebnis absehbar war, gerade mit der Polarisierung, die die CSU zuletzt in Fragen der Verkehrswende herbeigeführt hat. Dieter Reiter hat die Stimmen behalten, die er im ersten Wahlgang bekommen hat. Und er hat die Stimmen der Grünen hinzu bekommen.“
Dieter Reiter war „überwältigt von dem großen Vertrauen, das mir die Münchner entgegengebracht haben, vielen herzlichen Dank! Das gibt viel Rückenwind für die nächste Amtsperiode. Jetzt geht es aber erst einmal darum, alle Kräfte in unserer Stadt zu bündeln, um die gewaltigen Herausforderungen der Corona-Krise zu bewältigen. Gemeinsam werden wir das meistern!“