Der letzte Gong

von Redaktion

Mensa-Betreiber schlagen Alarm

Es ist 15 Uhr, der Gong hallt durchs Albert-Einstein-Gymnasium in Harlaching – drei einsame Schüler unterhalten sich auf dem Pausenhof. In der Mensa: gähnende Leere. Für die Betreiber eine existenzbedrohende Leere. Seit März befinden sich die Münchner Schulen im Schlummerschlaf – und sie erwachen nur langsam. Oftmals sind die Kinder nur wenige Tage und Stunden in der Schule. Essen steht dann selten auf dem Stundenplan. Das könnte einige Mensa-Betreiber bald in die Insolvenz zwingen: Ihre Preise sind oft so knapp kalkuliert. Maßnahmen wie Soforthilfe und Kurzarbeitergeld haben die Ausfallkosten nicht gedeckt. Deshalb pochen die Gastronomen auf Hilfe von der Stadt, sonst müssen einige Schüler im September mit knurrendem Magen im Unterricht sitzen.

Freie Wähler und ÖDP fordern unter anderem Pachterlass für Münchner Mensen bis September 2021. Bisher hat das Kommunalreferat einer Stundung bis Ende des Jahres zugestimmt. Im neuen Schuljahr, so hoffen die Caterer, ist ein Regelschulbetrieb wieder möglich.

Martin Basarab ist einer der wenigen Mensa-Betreiber, die einen Kredit erhalten haben. „Viele stehen jetzt schon vor der Insolvenz. Aber egal ob mit oder ohne Hilfe: Für alle ist die Situation ein harter Kampf“, sagt der 30-Jährige, der im Albert-Einstein-Gymnasium die Schüler bekocht. Der Unternehmer nutzt seine letzten Kräfte, um Mensa-Betreiber aus ganz München zusammenzutrommeln. „Wir haben keine Lobby und müssen auf uns aufmerksam machen“, sagt er. Basarab erhofft sich eine Art staatlichen Zuschuss fürs Essen. „Überall heißt es immer: Wir wollen Bio, faires Fleisch, gesunde Zutaten – aber in der Mensa will keiner draufzahlen.“

Gabriele Anthuber betreibt die Mensa der FOS/BOS an der Lindwurmstraße. Jetzt hat sie tausende Euro Schulden. „Mein Jahresgeschäft ist weg, ich muss an meine Altersvorsorge”, klagt die 60-Jährige. Das Problem: „Die Schüler kommen später und gehen früher – da hat keiner Hunger.“ Allein vergangene Woche hat Anthuber Lebensmittel im Wert von 150 Euro weggeworfen. Zur Öffnung sei sie von der Rektorin vertraglich gezwungen worden. Nun hat ihr die Leiterin auch noch gekündigt. „Das war am 30. April – in der schwersten Zeit!” Ihr bleibt nur noch der Rest des Jahres, um das Loch in der Kasse zu füllen.

„Wenn ich bis Ende Juli nicht noch eine Soforthilfe erhalte, bin ich tot“, sagt Thomas Panettiere (45), der das Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium und die Helen-Keller-Realschule bekocht. Im Gymnasium darf er aus Hygieneschutz-Gründen nicht mehr arbeiten. „Ich mache derzeit 60 bis 70 Euro Umsatz pro Schule – das reicht, überspitzt gesagt, noch nicht mal für den Sprit.“ Auch seine Rücklagen sind bald aufgebraucht. „Es geht aber auch um die Kinder: Daheim ist oft keine Zeit zum Kochen. Wir dagegen bereiten das Essen frisch vor.“

Andrea Staffieri hat seine Mensa im Michaeli-Gymnasium wieder schließen müssen. „Von den 1450 Schülern ist zurzeit immer nur knapp die Hälfte da – und auch die wechselt sich ab“, sagt der Unternehmer. Zunächst testweise hat er seine Mensa aufgemacht. „Als ich von zehn Kilo Nudeln sechs wegwerfen musste, habe ich wieder zugesperrt.“ In den Mensen sind die Preise knapp berechnet. Ein Betrieb lohne sich nur bei voller Auslastung, sagt Staffieri. Seit März habe er ein Minus von etwa 15 000 Euro angehäuft. „Ich habe die Hoffnung, dass im September alles wieder normal ist, sonst schaffen wir es nicht.“

STÉPHANIE MERCIER

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