Es ist Sonntagmittag, kurz nach halb zwölf am Platzl in der Innenstadt. Jenem gepflasterten Fleckerl, an dem sich normalerweise die ganze Welt guten Tag sagt. An dem fröhliches Geschnatter durch die Gassen schallt und den Ort mit Lebensfreude füllt. Nicht so an diesem Sonntag. Und auch unter der Woche bleibt’s hier im Moment unheimlich still. Irgendwo in der Ferne fiedelt ein Künstler. Die traurigen Klänge seiner Sonate lassen erahnen, was die Geschäftsleute seit Wochen erleben: Flaute am Platzl! Restaurants, Cafés, Souvenir-Standl – das Personal ist den Gästen zahlenmäßig überlegen.
„Es ist eine Katastrophe“, berichtet Daniela Russnak. Die Münchnerin verkauft kleine Mitbringsel – Karten, Kuscheltiere, Krüge. Alles, was Touristenherzen höherschlagen lässt – wenn sie denn den Weg hierher finden. „Die Leute aus Übersee kommen nach wie vor nicht ins Land“, beobachtet Russnak. Klingelnde Kassen? Fehlanzeige! „Wenn wir an einem Tag mal fünfzehn Prozent Umsatz machen“, erklärt Russnak, „dann ist das viel“. Die Einzigen, die momentan vorbeikämen, seien Reisegruppen aus Deutschland, bestätigt auch Elfriede Mertl, Inhaberin des kleinen Stahlwarenladens an der Orlandostraße. „Aber von denen stellt sich ja auch niemand einen weiß-blauen Löwen in die Wohnung.“
Just in dem Moment schlendert eine Reisegruppe vorbei. Der Leiter – Pullunder, Brille, Sonnenschirm – erzählt von glanzvollen Tagen. Vom Hofbräuhaus, vom FC Bayern und vom Schuhbeck, dem „Meister des guten Geschmacks“.
Während die Touristen den Münchner G’schichten lauschen, sitzt der Meister selbst auf seiner Sonnenterrasse. Noch ist er der einzige Gast in seinem gewaltigen Gasthaus, Schuhbecks Orlando. „Freilich müssen wir grad kämpfen“, berichtet der Fernsehkoch. Auch an ihm sei die Corona-Krise nicht spurlos vorbeigegangen. Normalerweise, erzählt Schuhbeck, sei die Innenstadt an einem Sonnentag wie diesem proppenvoll, jeder einzelne Platz umkämpft. Mittlerweile betrage die Auslastung allerdings nur noch 25 Prozent. „Ein Trauerspiel“, meint Schuhbeck und winkt ab. Aber: Unermüdlich zu meckern und zu mosern, „wie viele Münchner das gern machen“, halte er für völlig falsch. „Es hilft ja nix“, sagt Schuhbeck. „Es ist wie es ist – und wir müssen das Beste draus machen.“ Was sich in der Theorie recht einfach anhört, bedeutet in der Praxis: Das Personal muss sich abwechseln. Ein paar Tage die eine, danach die andere Besetzung. Und von allem ein bisserl weniger. Außer vom Service. „Wir müssen schauen, dass wir die, die nach wie vor kommen, glücklich machen“, sagt Schuhbeck – „durch Freundlichkeit und Qualität“. Stichworte, bei denen zwei Passanten hellhörig werden. „Herr Schuhbeck“, schwärmt Jutta Hager, „Ihre Fischsuppe ist eins a – fast noch besser als vor einem Jahr.“
Es sind Worte wie diese, die Alfons Schuhbeck motivieren, weiterhin Gas zu geben. Aufgeben? „Awo“, sagt der 71-Jährige, „das kommt nicht infrage.“ Es gebe immer mal wieder Phasen, die einem nicht gefallen. Aber: „Je stärker es regnet, desto bunter blüht’s hernach.“ Wer weiß, vielleicht füllen sich die Gassen ja schon bald wieder mit fröhlichem Geschnatter.