Es sind Szenen wie aus einem Horrorfilm. Und für die Hinterbliebenen der Opfer hat sich der rechtsradikale Anschlag am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) für immer grausam ins Gedächtnis gegraben. Der 18-jährige David S. erschießt am 22. Juli 2016 in einer McDonalds-Filiale nahe dem OEZ neun Menschen. Er sucht sich gezielt Opfer mit Migrationshintergrund aus. Sieben der neun Getöteten sind Muslime. Die meisten Ermordeten sind jüngeren Alters. David S. feuert fast 60 Schuss ab. Die Waffe hat sich der 18-Jährige im Darknet besorgt. Der Händler ist mittlerweile zu einer Haftstrafe verurteilt worden.
Gut zweieinhalb Stunden nach Beginn des Anschlags stellt eine Polizeistreife den Täter in der Nähe des Einkaufszentrums, woraufhin dieser sich erschießt. Den ganzen Abend über herrscht Ausnahmezustand in der Stadt. Lange wird von einem Terroranschlag ausgegangen. Die Tat hat sich in Münchens kollektives Gedächtnis eingebrannt – nicht nur wegen der vielen Toten, sondern auch wegen der Panik, die die Stadt ergreift und stundenlang nicht loslässt. In einer Krimi-Folge des „Tatort“ Anfang 2020 wird das OEZ-Attentat thematisiert.
Die offiziellen Behörden stufen die Gewalttat zunächst als Amoklauf ein, als einen Racheakt für Mobbing. Erst im Oktober 2019 erfolgt die Kehrtwende. Auch die Staatsregierung und das Landeskriminalamt bewerten den neunfachen Mord als politisch motivierte Tat von rechts. Drei von der Stadt München beauftragte wissenschaftliche Gutachter gelangen schon viel früher zu dieser Schlussfolgerung. Denn aufgrund der Ermittlungen gibt es zahlreiche Hinweise für die rechtsextreme Gesinnung von David S. Dieser spielt am PC Gewaltspiele mit rechten Parolen. Er verehrt den Massenmörder Anders Breivik, bewundert Hitler und entwickelt eine Faszination für Amoktaten wie in Winnenden oder Erfurt.
An die neun Opfer erinnert unweit des OEZ ein Kunstwerk. Es trägt den Namen „Für Euch“. Die Münchner Künstlerin Elke Härtel hat den 2,50 Meter hohen Edelstahlring, der einen Ginkgo-Baum umschließt, gestaltet. Auf der Innenseite des Rings befinden sich die Namen und Porträts der neun Ermordeten. Jeweils zum Jahrestag gibt es eine Gedenkveranstaltung. Auch heute werden wieder Kränze niedergelegt, unter anderem von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Die Inschrift am Denkmal soll nach der Neubewertung der Behörden geändert werden. Bisher heißt es: „In Erinnerung an alle Opfer des Amoklaufs vom 22. Juli 2016.“ Jetzt wird der Begriff Amoklauf durch „rassistisches Attentat“ ersetzt. KLAUS VICK