Schwabing um 22 Uhr: Es ist 26 Grad, 200 Menschen sitzen auf den Betonschwellen rund um den Wedekindbrunnen. Sie essen Pizza aus Pappschachteln, trinken Bier und hören Bass-Musik aus zwei kleinen Lautsprechern. „Etwas lauter als sonst ist es“, sagt Dorin Popa (59). Er geht zu den jungen Erwachsenen, lächelt. „Alles klar?“, fragt er. „Super, und selbst?“
„Gut.“ Das Gespräch ist locker. Eher wie unter Freunden als zwischen einem Gast und einem Konfliktmanager der Stadt München. Fast beiläufig erwähnt Popa, dass es um Mitternacht ruhiger werden muss. Die Feiernden zeigen Verständnis, versprechen, auf die Uhr zu sehen. Das freut Popa. Damit hat er sein Ziel erreicht: einen potenziellen Konflikt mit Worten zu lösen. Und genau das ist die Aufgabe von Akim (Allparteiliches Konfliktmanagement in München). „Wir sind der Ansprechpartner für alle“, sagt Michael Wübbold vom Sozialreferat. Die fünf Akim-Arbeiter wollen Reibereien schon im Vorfeld im Keim ersticken. Sich um Belange kümmern, „für die ein Polizeieinsatz zu überzogen wäre“. Neben Wübbold steht Verena Dietl. Münchens dritte Bürgermeisterin macht sich an diesem Freitagabend selbst ein Bild von der Situation am Wedekindplatz. 20 Jahre ist es her, dass sie hier selbst das letzte Mal so richtig feiern war, gesteht sie. Den Platz erkennt sie fast nicht wieder. Seit dem Umbau vor wenigen Jahren hat sich der nach dem Autor Frank Wedekind benannte Ausläufer der Leopoldstraße in eine quirlige Partyzone verwandelt. „Eine richtig mediterrane Stimmung“, findet Dietl.
22.30 Uhr. Popa geht auf die Straße. Eine Gruppe junger Menschen hat es sich dort mit einem Bier in der Hand gemütlich gemacht. „Ihr müsstet bitte auf den Gehweg“, sagt Popa. Die Ermahnten hören sofort. Keine Minute später rast ein Auto vorbei. Ein schwarzer BMW mit lauter Musik. „Das hat am meisten Konfliktpotenzial“, sagt er. Autofahrer und Fußgänger. Einmal hat er erlebt, wie ein BMW einen Mann auf der Straße angehupt hat. „Beim Gestikulieren hat er etwas Bier auf die Windschutzscheibe geschüttet.“ Der Fahrer schimpfte, die Stimmung war aufgeheizt. „Wir konnten aber sofort schlichten.“
22.57 Uhr. Schon wieder fährt ein Auto viel zu schnell durch den verkehrsberuhigten Bereich. Rast haarscharf am Feierpulk vorbei, der mittlerweile um die 300 Nachtschwärmer zählt. Auch Dietl fällt das sofort auf. „Da muss was passieren“, sagt sie. Die Verkehrssituation sei keinesfalls angemessen. Doch sie nimmt auch die vielen Menschen wahr, die sich ohne großen Corona-Abstand um den Brunnen versammeln. Wer kontrolliert die Auflagen? „Dafür ist die Polizei zuständig“, betont Wübbold. Denn das sei Akim eben nicht: der verlängerte Arm der Gesetzeshüter. Wie aufs Stichwort fährt ein Streifenwagen vor.
23 Uhr. Die Beamtin sieht Popa, geht zielstrebig auf ihn zu. Sie reicht dem Konfliktmanager ihre Diensthandynummer für heute Abend. „Von denen hab’ ich schon 100 eingespeichert“, sagt er lachend. Dass die Polizei ihn anspricht, ist normal. Genauso wie Gäste oder Bezirksinspektoren. Die roten markanten Jacken stechen ins Auge. „Servus! Und? Die Stimmung ist so geil! Wir hatten hier noch nie richtig Stress“, sagt Felix. Der 32-Jährige arbeitet seit vier Jahren im Lokal „Occam Deli“.
23.11 Uhr. Der Platz füllt sich, die ersten Restaurants schließen. Die Stimmung bleibt trotzdem entspannt. Popa bittet zwei junge Münchner, ihren Müll aufzuheben. „Wir haben extra mehr Mülleimer angeschafft“, sagt Gerhard Mayer, Amtsleiter im Sozialreferat. Er steht vor den drei Dixi-Klos, die die Stadt am Mittwoch aufgestellt hat. „Sie werden gut angenommen“, nachdem sie nicht vor den Anlieger-Fenstern platziert wurden. Die Musik der Freischankflächen ist lauter als die der Gäste am Brunnen. Beschwerden gibt es von Anwohnern dennoch selten, versichert Wübbold. Nicht zuletzt, weil die Feiernden hier ruhiger seien als an der Leopoldstraße. „Dort kommt es öfter zu Streitereien“, berichtet auch Popa.
23.30 Uhr. Verena Dietl verabschiedet sich. Nimmt viele Eindrücke mit nach Hause. Sie fühlt sich bestärkt in ihrer Meinung, dass „ein Alkoholverbot an Plätzen wie diesen überhaupt nichts bringt“. Die Feiernden gingen dann nur ein paar Meter woanders hin. „Das Problem wird nur verlagert.“ Sie hat gesehen, dass mit kommunizieren und Konfliktmanagement viel mehr zu erreichen ist. Wie mit Akim. Wie mit Dorin Popa.