Todesraser wegen Mordes angeklagt

von Redaktion

Laim: 14-Jähriger starb im November 2019, nachdem ihn das Auto eines 35-Jährigen erfasst hatte

Zehn Monate, nachdem ein 35-Jähriger in Laim in eine Gruppe Jugendlicher gerast ist und ein 14-Jähriger ums Leben kam, hat die Staatsanwaltschaft München I jetzt Anklage erhoben. Sie wirft Victor B. unter anderem Mord sowie versuchten Mord an einer 16-Jährigen und drei weiteren Verkehrsteilnehmern vor. Wann der Prozess beginnt, muss nun die Schwurgerichtskammer des Landgerichts München I entscheiden.

Der Angeklagte Victor B. aus Bad Heilbrunn (Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen) war am 15. November vergangenen Jahres um 23.20 Uhr – laut Staatsanwaltschaft unter Kokain- und Alkoholeinfluss – auf der Landsberger Straße unterwegs und wendete mit seinem BMW, obwohl das dort verboten ist.

Zwei Polizisten im Dienstfahrzeug beobachteten den 35-Jährigen und wollten ihn stoppen. Victor B. stand zu diesem Zeitpunkt unter offener Bewährung. Eine der Auflagen war, dass er keine Drogen nehmen darf. Laut Anklage hatte der 35-Jährige an diesem Tag aber nicht nur Kokain und Alkohol konsumiert, sondern auch eine geringe Menge Marihuana bei sich im Auto. Da Victor B. auf keinen Fall wieder ins Gefängnis wollte, flüchtete er vor der Polizeikontrolle.

Über die Fürstenrieder Straße raste B. mit Tempo 120 statt der erlaubten 50 in Gegenrichtung. Dabei kamen ihm mindestens sechs Autos entgegen. An der Kreuzung zur Gotthardstraße missachtete Victor B. eine rote Ampel.

Währenddessen stiegen an der Bushaltestelle Aindorferstraße vier Jugendliche aus dem Bus und überquerten die Straße bei grüner Fußgängerampel. Der Raser erfasste zwei der Jugendlichen. Max D. hatte keine Chance: Er wurde mit Tempo 120 von dem BMW erfasst und flog 43 Meter durch die Luft. Der Schüler erlitt Brüche und eine tödliche Verletzung der Hauptschlagader. Er starb wenige Stunden später in einem Krankenhaus.

Der 35-Jährige mutmaßliche Täter raste laut Anklage einfach weiter, nachdem er die Jugendlichen erfasst hatte. Dabei zwang er einen Citroën zum Ausweichen, der in eine Litfaßsäule prallte. Erst jetzt bremste Victor B. seinen BMW ab und flüchtete zu Fuß weiter in den Westpark. Dort nahmen Polizisten ihn schließlich fest.

Die Staatsanwaltschaft sieht die Mordmerkmale der niedrigen Beweggründe und Heimtücke erfüllt. Nach Auffassung der Ermittler war dem Angeschuldigten bewusst, dass bei seiner rücksichtlosen Fahrweise mit deutlicher überhöhter Geschwindigkeit im Gegenverkehr der BMW Menschen töten könnte. Er habe dies jedoch billigend in Kauf genommen und stattdessen seine Interessen – eine erneute Inhaftierung unter allen Umständen zu vermeiden – „in krasser Eigensucht über das Lebensrecht anderer Verkehrsteilnehmer“ gestellt.

Victor B. schweigt bislang zum Fall. Sein Verteidiger Tom Heindl sagt aber: „Der unterstellte Tötungsvorsatz in der Anklage ist juristisch nicht nachvollziehbar.“ Mord durch Rasen? In Berlin gab es bereits ein solches Urteil, das der Bundesgerichtshof erst im Juni bestätigt hat. In München wäre es ein Novum.

S. WEGELE, A. THIEME

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