Tausende Menschen stehen auf der Theresienwiese in brütender Nachmittagshitze. Manche tragen Trachten – so gut wie keiner eine Maske. Ein Mann betritt die Bühne. „Michaeeel Ballweg!“, stellt ihn der Moderator vor – die Menge jubelt. Der Stuttgarter, der da wie ein Popstar gefeiert wird, ist der Gründer der umstrittenen Bewegung „Querdenken“, die sich gegen die Corona-Maßnahmen stellt. „Das Freiheitsvirus hat München erreicht“, ruft Ballweg. Noch bevor er so richtig ausholen kann, unterbricht die Polizei die Kundgebung gut eine Stunde nach deren Beginn.
Auf Lautsprecherdurchsagen, man solle eine Maske tragen, reagieren die Teilnehmer mit Buh-Rufen. Seit Mittwoch ist die Maske in Bayern bei Veranstaltungen ab 200 Personen Pflicht. Die Veranstalter verweisen auf Ausnahmen. Eine Frau auf der Bühne sagt, sie sei Ärztin und könne Atteste ausstellen – „wer eins braucht“. So geht es eine Weile hin und her, bis die Polizei Identitäten feststellt und Platzverweise ausspricht.
5000 waren angekündigt, 1000 waren zunächst von der Stadt genehmigt worden – nachdem der Verwaltungsgerichtshof diese Beschränkung aufhob, demonstrierten 10 000 am Samstag auf der Theresienwiese von 16 bis etwa 19.30 Uhr.
Die Veranstaltung verlief weitestgehend friedlich, Reichsflaggen – wie sie in Berlin wehten – waren nicht zu sehen. Zuvor hatte die Polizei einen Demozug, der um 12.30 Uhr am Odeonsplatz startete, in der Gabelsbergerstraße gestoppt. Auch hier trug fast keiner eine Maske. Zudem waren statt der genehmigten 500 rund 3000 Menschen auf der Straße. Gegen 14 Uhr löste der Versammlungsleiter den Demozug auf.
Dem Protestgeschehen war ein Rechtsstreit vorausgegangen (wir berichteten). Erst in der Nacht zu Samstag hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Demozug für 500 Personen erlaubt und die Teilnehmerbeschränkung auf der Theresienwiese komplett aufgehoben.
Neben der dominierenden Diskussion um die Maskenpflicht forderten Redner unter anderem die Aufhebung der Immunität von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Auf der Bühne stand auch Ex-Fernsehtalker und Pfarrer Jürgen Fliege. Seine gut zehnminütige Rede wirkte wie eine Predigt – gespickt mit Bibel-Bezügen zum Satz „Fürchtet euch nicht“.
Nachdem die Polizei vereinzelt Menschen auf das Tragen einer Maske hinwies, hielt sich am Ende die Mehrheit daran. Über 100 hartnäckige Maskenverweigerer erhielten eine Anzeige. Über 20 weitere Personen wurden aus anderen Gründen, darunter Körperverletzung, angezeigt. Die Bundespolizei erteilte zudem an den Bahnhöfen (vor allem Hauptbahnhof) 45 Anzeigen wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz – 44 davon wegen des Verdachts der Vorlage falscher Atteste. Laut Polizei gibt es zudem Hinweise, dass auf der Theresienwiese ein Arzt falsche Atteste ausgestellt hat.