Kontrollierte Ersatzparty

von Redaktion

VON PETER SCHLINGENSIEF, CHRISTINA MEYER UND NADJA HOFFMANN

Acht Uhr morgens am ersten Wiesn-Samstag. Normalerweise warten um diese Uhrzeit schon tausende Menschen in Tracht vor den Zelten auf Einlass. Doch in diesem Jahr ist alles anders – auf dem Festgelände herrscht gähnende Leere. Nein, nicht ganz. Wer genau hinschaut, findet ein paar hartgesottene Wiesn-Fans, die diesen denkwürdigen Tag zu Füßen der Bavaria verbringen möchten.

Zwar hat die Stadt für die Wiesn ab neun Uhr ein Alkoholverbot verhängt, um wilde Ersatzpartys zu verhindern. Trotzdem treffen sich in aller Herrgottsfrüh einige Münchner, um den eigentlichen Anstichtag zu feiern. Als die Polizei um Punkt neun anrückt, um auf das beginnende Verbot hinzuweisen, sind schon etliche Halbe geleert – und die letzte wird um 8.59 Uhr noch schnell geext. Da muss selbst der ein oder andere Ordnungshüter lachen. Katharina Schmitt (26) und Doren Busch (39), die eigentlich in der „Fischer Vroni“ bedienen, finden die Kontrollen trotz aller Wehmut richtig: „Das Alkoholverbot ist leider g’scheiter, sonst artet’s nur aus.“

Am Ende des Tages zieht die Polizei zum Verlauf des Nicht-Wiesn-Anstichs eine positive Bilanz. Auf der Theresienwiese sorgten die Beamten mit starker Präsenz dafür, dass das Alkoholverbot eingehalten wird. Vereinzelt seien kleine Gruppen mit Bierzeltgarnituren und Alkohol vor der Bavaria eingetroffen und belehrt worden. Die meisten seien einsichtig gewesen. Trotzdem wurden „mehr als 20 Platzverweise“ ausgesprochen.

Um zwölf Uhr, dem eigentlichen Startschuss für das Fest, standen und saßen rund 500 Menschen auf der Theresienwiese, viele mit alkoholfreiem Bier. Die Abstandsregeln wurden weitgehend eingehalten. Vielerorts waren auch die Biergärten voll, mancher bekam keinen Platz oder musste warten – weil es Corona-bedingt weniger Plätze gab.

Auch die Wirte sind mit der Wirtshaus-Wiesn zufrieden. Die Gäste hätten sich an Corona-Regeln gehalten und friedlich gefeiert, sagt etwa der Sprecher der Innenstadtwirte und Chef des „Augustiner Klosterwirts“, Gregor Lemke. Wiesn-Wirt Christian Schottenhamel berichtet, bei ihm seien rund zehn reservierte Tische leer geblieben, weil Gäste angesichts der Infektionszahlen nicht gekommen seien. „Man merkt, die Bevölkerung ist ein bisschen gespalten.“ Ein Teil habe großen Respekt vor dem Virus, ein anderer fühle sich in der Gastronomie sicher.

Bereits im Vorfeld war wegen der steigenden Infektionszahlen in München Kritik an der Wirtshaus-Wiesn laut geworden. Ein Twitter-Nutzer fand es „unverantwortlich“, die Aktion in der aktuellen Situation nicht abzusagen. Andere kritisierten, Kinder müssten am Montag mit Maske in die Schule, während am Wochenende in Kneipen gefeiert werde.

Alt-OB Christian Ude verteidigt die Aktion: „Ich bestreite, dass von einer derart kontrollierten und disziplinierten Gastronomie eine Gefahr ausgeht.“ Wiesn-Wirte-Sprecher Peter Inselkammer sagte, es sei spürbar, dass viele Menschen den ursprünglich geplanten Oktoberfeststart begehen wollten. „Die Leute wollen feiern.“ Es sei besser, wenn dies in den Wirtshäusern kontrolliert und unter Einhaltung der Regeln geschehe als bei privaten Partys.

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