„Schwabing braucht Dich, Posterkönig“

von Redaktion

Das Schwabinger Urgestein Wolfgang Roucka feiert 80. Geburtstag – Christian Ude gratuliert

Wolfgang Roucka ist ein Schwabinger Original. Der legendäre Fotograf und Münchner „Posterkönig“ feiert heute seinen 80. Geburtstag. In München avancierte das Passauer Kriegskind mit Talent, Geschick und Che-Guevara-Plakaten zum Ausstatter der 68er-Bewegung. Später war Roucka der persönliche Fotograf Johannes Pauls II. bei dessen München-Besuch 1987 und Kardinal Wetters Porträtist. Erst vor Kurzem wurde Roucka Opfer der Corona-Krise, er musste seine Galerie an der Feilitzschstraße aufgeben. Hier gratuliert ihm sein Freund und Weggefährte Christian Ude (73) – in dessen Amtszimmer als Oberbürgermeister natürlich ein riesiges München-Foto Rouckas hing.

Mein Gott, Wolfgang! Ist das wirklich wahr? Die Leute von dieser Zeitung behaupten, dass Du jetzt achtzig wirst. So ein alter Dackel aber auch! Dabei hast Du doch den Geist jugendlicher Aufmüpfigkeit verbreitet, die keinem über 30 trauen will. So habe ich Dich auch kennengelernt, nicht persönlich, aber durch Deine schändlichen Werke: Plötzlich hing in immer mehr Münchner Studentenbuden Dein Poster, das den Komponisten und Musiker Frank Zappa mit wildem Haar und langem Bart zeigt – auf seiner Kloschüssel. Dieses Plakat wurde schnell eine Ikone der aufsässigen Jugend. Die mehr politischen Studenten hängten sich „Deinen“ Che Guevara übers Sofa – nicht nur in München, sondern auch im Rest der Republik. Du hast sogar den Fotografen gekannt. Und bald wusste jeder: Solche Plakate druckt nur „der Roucka“ am Wedekindplatz! Man nannte Dich – wenig rebellisch, eher monarchistisch – „den Poster-König“.

Dass Du auch noch Fritz Teufel – herumlümmelnd auf einem Siegerpodest – als Repräsentanten der Olympischen Spiele von 1972 ins Plakat gerückt hast, steigerte die Entrüstung gutbürgerlicher Familien und die Begeisterung ihres unreifen Nachwuchses.

Im Laufe der Jahrzehnte, von 1966 bis 2019, also fünfeinhalb Jahrzehnte lang, wurde Dein Poster-Shop an der Feilitzschstraße immer mehr zu einer Galerie, die unzählige Schwabinger Künstler förderte, aber auch Riesenfotos produzierte und Rahmen dazu lieferte. Und tolle Geselligkeiten einberief. Da kam viel Publikum zusammen, die Maler der „Seerose“, die Getreuen der „Traumstadt“ des Poeten Peter Paul Althaus, der literarische „Tukan“-Freundeskreis, die Fangemeinde der „Schwabinger Gisela“, aber auch – in seltener Kombination – die Prinzenpaare der „Narrhalla“ nebst Mitgliedern ihres Hofstaats.

Tradition war Dir wichtig, Du bist aber technisch immer mit der Zeit gegangen, hast zum Beispiel noch während der Veranstaltung digital erstellte und ausgedruckte Sofortfotos verteilt, als das kaum ein Mensch konnte, und bist mit einem Großrechner aufs Gerüst des Alten Peter geklettert, um ein unfassbar scharfes Bild vom Rathaus und dem Münchner Norden dahinter zu machen. Die Fotowand, die fast zwei Jahrzehnte lang in meinem Amtszimmer als Hintergrund für Fotoshootings aller Art diente, verblüffte Gäste aus aller Welt damit, dass man bis Nordschwabing Details der Dachlandschaft erkennen konnte. Diese Stadtlandschaft hängt heute in fast so vielen Amtsstuben, Lokalen, Privatwohnungen und Repräsentationsräumen wie das Bild „Schwabing bei Nacht“ von Hermann Geiseler, das als Symbol des Künstlerviertels und der Traumstadt nur in Deinen meisterhaften Reproduktionen fortlebt, da das Original verschwunden ist.

Mit besonders viel Herzblut hast Du Dich für die Schwabinger Gisela eingesetzt, die bei Deinen wunderbaren Festen am Feilitzschplatz ihre Lieder singen („Schwabinger Laterne, Grossstadt-Melodie“), Hof halten und ein Bad in der Menge ihrer Fans nehmen konnte. In Deinem Studio bekam sie 2004 die kunstvoll gegossene „Schwabinger Laterne“ – und neun Jahre später verlieh sie gemeinsam mit Dir diese liebenswerte Ehrung an meine Frau und mich. Vor allem aber hast Du darum gekämpft, dass das Original dieser Laterne, an die sie sich allabendlich in ihrem Lokal in der Occamstraße lasziv angelehnt hat, auf dem Wedekindplatz von der Stadt als Denkmal aufgestellt wurde und Schwabing buchstäblich mit Einbruch der Dämmerung „zum Leuchten“ bringt.

Dir selber war ein Verbleib an diesem Platz nicht vergönnt. In diesem Jahr war abrupt Schluss – so ist das auf dem Immobilienmarkt, der zwar gerade in Schwabing vom Ruf des Künstlerviertels profitiert, aber selber noch profitablere Nutzungen vorzieht.

Lass Dich davon nicht verdrießen. Halte Dich an Dein erfrischendes Motto: „Schwabing lebt!“ Und halte Dich auch selber daran. 80 ist zwar ein stolzes Alter. Aber Stolz ist kein Grund, sich zur Ruhe zu setzen. Schwabing braucht Dich. CHRISTIAN UDE

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