„Menschen mit HIV können normal leben“

von Redaktion

Experte warnt: Unentdeckte Infektionen sind ein großes Gesundheitsrisiko – bei Risikokontakten testen lassen

Heute ist Welt-Aids-Tag. Wie gefährlich ist HIV? Privat-Doz. Christoph Spinner, Infektiologe am Klinikum rechts der Isar, kennt die Antworten.

Wie gefährlich ist HIV?

HIV ist eine chronische Erkrankung, die das Immunsystem schwächt. Man kann sie nicht heilen, aber – wenn die Infektion früh diagnostiziert wird – gut behandeln und damit die Funktion des Immunsystems wiederherstellen. Vereinfacht gesagt: Medikamente unterdrücken das Virus, verhindern die Übertragung. Durch eine schnell begonnene Therapie ändert sich für die Betroffenen im Alltag fast nichts: Sie haben eine normale Lebenserwartung.

Ist HIV unter Therapie übertragbar?

Nein. Entsprechende Medikamente verhindern, dass sich das Virus im Blut ausbreitet und übertragen werden kann. Die Medikamente müssen zwar lebenslang genommen werden – Menschen mit HIV können dank ihnen aber normal leben.

Gefährlich sind also unentdeckte Infektionen…

Ja, weil sie zum Vollbild des Immunschwächesyndroms (Aids) führen können. Das Nicht-Wissen um eine HIV-Infektion sehen wir Mediziner als großes Problem: Von den etwa 90 700 HIV-Infizierten in Deutschland wissen laut Statistik etwa 10 800 noch nicht, dass sie betroffen sind – das ist jeder Neunte! Es gilt die einfache Regel: Wer einen Risikokontakt – wie kondomlosen Sex – hatte, sollte sich testen lassen: zum Eigenschutz und zum Schutz vor Übertragung.

Wer sollte sich denn konkret testen lassen?

Männer, die Sex mit Männern haben, mindestens einmal jährlich – auf HIV und andere Geschlechtskrankheiten. Männer, die die HIV-Prophylaxe PrEP nutzen oder nutzen möchten, vor Beginn, vier Wochen später und dann alle drei Monate. Schwangere Frauen: Falls eine Infektion festgestellt wird, kann durch eine Therapie die Übertragung auf das Baby verhindert werden. Frauen und Männer, die Drogen intravenös konsumieren, sollten sich regelmäßig auf HIV und Hepatitis C testen lassen.

Wie problematisch ist eine späte Diagnose?

Eine späte Diagnose, insbesondere im späten Erkrankungsstadium, führt zu einer deutlich erhöhten Sterblichkeit. Mit zunehmendem Alter erhöht sich das Risiko für Begleiterkrankungen und weitere Medikamenteneinnahmen. Das bedeutet, es gilt im Falle einer HIV-Infektion die Wechselwirkungen der unterschiedlichen Therapien zu berücksichtigen.

Welches Ziel verfolgen Sie in der Forschung?

Ziel unserer Studien ist es, bessere Präventions- und auch Therapiemethoden sexuell übertragbarer Krankheiten und insbesondere zum Schutz vor HIV anbieten zu können. HIV bzw. Aids ist seit etwa 40 Jahren bekannt. Einen Impfstoff gegen das Virus gibt es noch immer nicht. Durch unsere Forschung können wir dazu beitragen, dass durch ein frühes Ausheilen der Erkrankung die Ansteckung weiterer Personen verhindert wird – und so die Zahl der Neuinfektionen weiter sinkt. Längerfristig könnte auch ein HIV-Impfstoff eine wichtige Rolle spielen.

Haben HIV-Infizierte ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Infektion?

Nein. Betroffene, die erfolgreich therapiert werden und daher über ein funktionierendes Immunsystem verfügen, haben nach bisherigen Erkenntnissen kein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer Corona-Infektion. Gefährlich kann diese aber für Menschen werden, die unter einer bisher nicht erkannten und nicht behandelten HIV-Infektion leiden – und deren Immunsystem entsprechend geschwächt ist.  mm

Online-Symposium

Morgen von 18 bis 20 Uhr veranstaltet das HIV-Zentrum des rechts der Isar ein Online-Symposium zum Thema „Sars-CoV-2 und HIV – zwei Viren halten die Welt in Atem“: www.mri.tum.de/veranstaltungen/online-izar-symposium-2020-sars-cov-2-und-hiv-zwei-viren-halten-die-welt-atem

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