Polizei fasst Millionen-Betrüger

von Redaktion

Seit dem Jahr 2017 hatte die Arbeitsgruppe Phänomene diesen Fall im Blick, vorgestern erfolgte nun der Zugriff. Insgesamt 31 Verdächtige konnte die Polizei in der türkischen Stadt Izmir festnehmen. Vor Ort hatten die Trickbetrüger ein Call-Center eingerichtet, das nur darauf ausgelegt war, deutsche Senioren am Telefon abzuzocken – darunter auch etliche Münchner. „Das war ein bedeutender Schlag gegen die organisierte Bandenkriminalität“, sagt Andreas Huber, Leiter des zuständigen Kriminalfachdezernats 3.

Im Rahmen der Ermittlungen wurden 48 Wohnungen und Häuser durchsucht. Mehr als 1,5 Millionen Euro Bargeld sowie fünf Kilo Gold konnten die Beamten sicherstellen, dazu auch fünf Schusswaffen, 25 Uhren, Immobilien und Fahrzeuge.

Spektakulär auch die Festnahme von Amar S. (31): Er gilt als Kopf der Bande und war 2012, als ihn ein Prozess am Bremer Landgericht bevorstand, aus dem Gefängnis ausgebrochen. Laut Polizei ist der Mann ein Serientäter. Allein bis zu seinem 16. Lebensjahr hatte er bereits 95 Straftaten verübt. In der Türkei soll er nach seiner Flucht die kriminellen Strukturen für den internationalen Trickbetrug aufgebaut haben.

Auch seine Komplizen waren in Deutschland verurteilt oder abgeschoben worden. Fast täglich hatten sie von der Türkei aus deutsche Rentner angerufen und versuchten, diese mit der typischen Masche der falschen Polizisten um ihr Geld zu bringen.

Wie solche Fälle konkret ablaufen, erklärte Andreas Huber gestern an einem Beispiel. „Frau Mayer, hier spricht die Polizei. Wir haben eine Einbrecherbande gefasst, die sich in Ihrem Viertel herumtreibt und es auch auf Sie abgesehen hatte.“ So fangen die Gespräche oft an, wenn Betrüger am Telefon sind – und eben nicht die echte Polizei. Senioren wird dann vorgegaukelt, dass sie ihre Wertsachen zur Sicherheit bei den Beamten abgeben sollen, die diese persönlich an der Haustür abholen werden, weil das Geld auf der Bank nicht mehr sicher sei. Tatsächlich kommen dann Komplizen der Betrüger, die oft mehrere zehntausend Euro mitnehmen. Und die Rentner? Sie sehen ihr Geld nie wieder. Die Betrüger nutzen das Vertrauen der Menschen in die „echte“ Polizei aus.

„Ihre Taten waren besonders perfide und haben Existenzen vernichtet“, sagt Huber. Denn: Anders als in bisher bekannten Fällen hätten die Täter ihre Opfer regelrecht verhöhnt und sich über sie lustig gemacht.

Huber: „Sie erzählten den Senioren nach der Tat etwa, welche Autos sie mit deren Geld kaufen wollten.“ Später bedrohten und beleidigten die Betrüger ihre Opfer auch, damit die Senioren sich nicht an die Polizei wenden. Trotzdem gelang nun der Zugriff.

Viele weitere Trickbetrüger seien aber immer noch am Werk. Allein in München habe es in den vergangenen Tagen trotz der Verhaftung in Izmir „eine erneute Welle an betrügerischen Anrufen gegeben“. Von anderen Tätern, die längst nicht gefasst sind – und Münchner jedes Jahr um Millionen betrügen.

Um das zu verhindern, hat die Polizei gestern Tipps formuliert, mit denen Betroffene sich schützen können. „Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen“, rät Huber. „Die echte Polizei fordert niemals Bargeld.“ Am besten ist, direkt aufzulegen und den Notruf 110 zu wählen. Doch Vorsicht: Niemals die angezeigte Nummer zurückrufen, was Betrüger oft anbieten. Denn so wird man, durch spezielle Technik, wieder zu ihnen umgeleitet. Im Zweifel kann man immer auch die Angehörigen zurate ziehen. VON ANDREAS THIEME

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