Es gibt sie, die Schlangen vor den Geschäften in der Münchner Innenstadt zwei Tage vor dem Lockdown. Ein Herr findet sich am späten Montagmittag mit seiner Begleiterin vor dem Augustiner in der Fußgängerzone in einer solchen wieder. „Normalerweise würde ich jetzt da reingehen zum Arbeiten“, erzählt er. Doch sein Arbeitsplatz, die Gaststätte, ist schon seit Wochen zu. Und so steht er jetzt vor seiner Arbeitsstätte, weil dort das Ende der Schlange vor dem 50 Meter entfernten Warenhaus TK-Maxx ist. „Wir brauchen eigentlich gar nichts“, sagt der Mann. „Wir wollen nur mal schauen, wie lange es hier dauert. Und vielleicht stellen wir uns dann noch woanders an.“
Ganz ernst meint er das wohl nicht, aber jedenfalls ist er gut gelaunt. Und überhaupt ist die Stimmung bei den Passanten ganz gut. Denn Hektik und Gedränge, wie manche durch die kurzfristig angekündigte Schließung befürchtet hatten, gibt es nicht, die Fußgängerzone ist nicht überlaufen. In den wenigen Warteschlangen geht es zügig vorwärts. Und in vielen kleineren Läden ist kaum etwas los.
Ein wenig Gedränge gibt es dann doch kurzzeitig, beim Herrenausstatter Hirmer. Dafür sorgen aber nicht die Kunden, sondern eine Handvoll Medienvertreter und Sicherheitsleute. Sie warten auf Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Der bayerische Wirtschaftsminister hat sich zu einem Besuch angekündigt. Er will sich über die Lage informieren und Solidarität mit den Einzelhändlern zeigen, auf die jetzt harte Zeiten zukommen.
Frank Troch, Geschäftsführer bei Hirmer, sieht das auch so: „Erst im Jahr 2024 werden wir wieder das alte Niveau erreicht haben.“ Den Herrenausstatter trifft das vermehrte Arbeiten im Homeoffice zusätzlich – daheim werden einfach weniger Anzüge verschlissen. Und Wolfgang Puff, der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Bayern, schreibt Aiwanger ins Stammbuch:„Die Hilfen, die der Bund beschlossen hat, reichen nicht. Das nächste Jahr wird richtig dramatisch.“
Allerdings glaubt Troch: „Nur den großen Geldbeutel aufzumachen, das wird sicher nicht die Lösung sein.“ Den kann Aiwanger ohnehin nicht so leicht öffnen. Jetzt mit direkten Zahlungen die Lücke zu schließen, die der Bund nicht so füllt, wie es die Händler gerne hätten, das wäre „für Bayern schwer machbar“, sagt der Minister. Aber mit Steuerstundungen durch die Finanzämter könne man als Freistaat helfen. Er werde dafür kämpfen, dass Betriebe aktuelle Verluste steuerlich mit früheren Gewinnen verrechnen dürfen. Der Bund lehnt das für die Zukunft bisher ab. Auch bei der Wiederbelebung der Innenstädte wolle man helfen. Man berate Händler auch bei der Einrichtung von digitalen Angeboten. Und der Minister appelliert: „Ich rufe dazu auf, auch jetzt online bei vertrauten Händlern einzukaufen.“
Wenn der Lockdown seine Wirkung zeigt, dann, so hofft der Minister, werden die Einzelhändler mit die Ersten sein, die wieder öffnen dürfen. Gerne hätte er es gesehen, wenn die Läden wenigstens noch diese Woche hätten aufbleiben dürfen. „Das hätte vielleicht noch mal etwas mehr entzerrt.“
So richtig viel zu entzerren gibt zumindest am Montagnachmittag in der Münchner Fußgängerzone nicht. Überschaubare Betriebsamkeit, mehr ist nicht los.