Nervenkrieg in den Apotheken

von Redaktion

VON LISA-MARIE BIRNBECK UND ACHIM SCHMIDT

Die Stimmung ist merklich angespannt an diesem Morgen. Immer wieder schieben sich vor allem ältere Menschen in die Schützen-Apotheke nahe dem Hauptbahnhof. Viele drängeln sich nach vorne, teilweise wird mit dem Ellbogen nachgeholfen. Der Grund: Alle wollen ihre kostenlosen FFP2-Masken abholen. Denn seit gestern können sich Risikopatienten und Personen über 60 Jahren kostenlos jeweils drei Stück in der Apotheke abholen. So der Plan von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CSU). „Es herrscht eine Goldgräber-Stimmung“, seufzt Schützen-Apotheke-Chefin Barbara Stempel bereits mittags. „Es gibt etwas umsonst, und alle wollen es sofort haben.“

Auch der Ton ist an diesem Morgen deutlich schärfer. Als die Apotheke um 8.30 Uhr öffnete, hatte Frau Stempel noch nicht genügend Masken, die Großbestellung war noch nicht angekommen. Die Masken gab sie erst nur an Stammkunden und Risikopatienten mit Rezept aus. „Wir wurden regelrecht angepöbelt“, erzählt Stempel.

Auch in der Neuhauser Benno-Apotheke ist der Andrang groß. „Im Winter ist eh mehr los, durch die Masken hat es noch einmal zugenommen“, sagt Mitarbeiterin Yasemin Friedhoff. Sorgen vor einem Lieferengpass habe sie nicht. „Zur Not wird nachbestellt. Das geht über den Großhandel normalerweise innerhalb von rund zwei Stunden.“

Aus Sicht des Bayerischen Apothekerverbands stellt sich der Start der Maskenausgabe noch uneinheitlich dar. Während einige Betriebe alle Abholer versorgen konnten, meldeten mehrere Inhaber schon am späten Dienstagvormittag, dass die Vorräte ausgegeben seien. Das sei auch der „sehr kurzen Vorlaufzeit“, geschuldet, betont Sprecher Thomas Metz auf Nachfrage. „Wir gehen aber davon aus, dass sich die Situation in den kommenden Tagen flächendeckend normalisieren und damit merklich entspannen wird.“ Schließlich gelte das Angebot noch bis 6. Januar. Bis zu den Feiertagen sei noch ausreichend Zeit.

Nicht nur die Sorge vor ausgehenden Vorräten sind an diesem ersten Ausgabetag zu hören, sondern auch davor, dass manche das Angebot „ausnützen“ könnten. Denn auch wenn die einzelnen Apotheken angehalten sind, die Ausgabe genaustens zu dokumentieren, gibt es bisher keinerlei Austausch zwischen den einzelnen Filialen. Diese Sorge hat auch Barbara Stempel von der Schützen Apotheke. „Ich lasse mir von allen, die sich die Masken abholen, den Ausweis zeigen und lasse sie unterschreiben“, betont die Apothekerin. „Aber ich kann ja nicht kontrollieren, ob sie nicht vorher schon bei einer anderen Apotheke waren.“

Wie die Ausgabe kontrolliert wird, fragt sich auch Christian Ziegler. Der 69-Jährige Rentner hat sich gerade seine drei Gratis-Masken geholt. „Am Ende gehen alle von einer Apotheke zur nächsten und machen noch ein Geschäft daraus“, befürchtet der Münchner. „Schließlich sind solche Masken nicht billig.“ Dennoch ist er froh, dass es das Angebot gibt. Genau wie Karl Müller (70). „Ich finde die Idee sehr gut“, sagt der Rentner. Schließlich wisse ja auch niemand, wie lange die Pandemie noch dauert.

In der Schützen-Apotheke gibt es dann doch noch ein Aufatmen: Die Lieferung kommt. Rund 20 000 FFP2-Masken hat Barbara Stempel nun auf Lager. Sie ist sich sicher: „Das reicht jetzt auch noch für den Januar.“

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