Nur 45 statt 80 Mandatsträger in der letzten Vollversammlung des Stadtrats vor Weihnachten – das gab es noch nie. Die Corona-Pandemie bringt auch den Alltag im Rathaus durcheinander. Doch es kommt noch dicker. Am Mittwoch erreichte die Stadtratsfraktionen Post vom OB. Um der aktuellen Pandemielage Rechnung zu tragen, fänden im Januar grundsätzlich keine Ausschusssitzungen statt, schreibt Reiter in seinem Brief.
Die Arbeit der Kommunalpolitiker kommt dadurch faktisch zum Erliegen. Denn in den zahlreichen Fachausschüssen werden die wichtigsten Themen vorbesprochen, um die Vollversammlung nicht in unendliche Länge zu ziehen. Damit dies im Januar nicht passiert, hat Reiter seine Referatsleiter aufgerufen, nur dringliche Dinge auf die Tagesordnung zu nehmen. Der Rest könne in den Februarsitzungen behandelt werden. Einzige Ausnahme ist der Kinder- und Jugendhilfeausschuss.
Die Oppositionsparteien fühlen sich vom Vorgehen Reiters überrumpelt. „Wir waren sehr erstaunt“, erklärt der CSU-Fraktionsvorsitzende Manuel Pretzl. Die Absage der Ausschüsse werde kritisch gesehen in seiner Fraktion. Die Mitwirkungsrechte der Stadträte würden eingeschränkt. Zudem spricht Pretzl von einer verfrühten Entscheidung und befürchtet, dass die Vollversammlung im Januar jeden Rahmen sprengt. ÖDP-Fraktionschef Tobias Ruff beklagt einen Einschnitt in die demokratischen Strukturen. „Man schafft sich ein bisserl selbst ab.“ Schon die Redezeitbegrenzung auf maximal fünf Minuten während der jüngsten Sitzung sei problematisch gewesen. Außerdem halte er die Entscheidung aus Infektionsschutzgründen für falsch, weil in den Ausschüssen weniger Leute zusammenkämen als in der Vollversammlung. Ähnlich sieht das der Fraktionschef der Linken, Stefan Jagel. Er sei „sehr irritiert“ gewesen über die Anordnung. Jörg Hoffmann (FDP) hielte es für sinnvoller, die Ausschüsse stattfinden zu lassen und stattdessen die Vollversammlung wieder nur mit halber Besetzung abzuhalten.
SPD und Grüne bewerten den temporären Ausfall der Fachausschüsse weniger dramatisch. SPD-Fraktionschefin Anne Hübner sagt, der Januar sei traditionell ein „sehr sparsamer Monat“, was die Anzahl der Sitzungen betrifft. Sie betont aber, dass dies eine Ausnahmesituation bleiben müsse. „Auf Dauer in so reduzierter Form politisch zu arbeiten, tut der Demokratie nicht gut.“ Vor allem aus Sicht der Opposition sei es schwierig, räumt die Regierungsvertreterin ein. Grünen-Fraktionschef Florian Roth pflichtet Hübner bei. Sollten sich dringliche Dinge auftun, könnte ja kurzfristig ein Ausschuss einberufen werden. Dennoch sei es angesichts der Infektionszahlen richtig, die Präsenz auf ein Minimum zu beschränken.