„Man würde mit dem Wissen von heute keinen Einzelhandel mehr schließen.“ Das sagte das Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am 1. September. Am 16. Dezember jedoch taten es die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten erneut. Mit Beginn des zweiten harten Lockdowns sind die Geschäfte wieder geschlossen – und werden es wohl mit der Verlängerung der Maßnahmen bis 31. Januar bleiben. „Das ist eine Katastrophe für uns“, sagt Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsverbands für Oberbayern.
Denn die Unternehmen hätten auf Spahns Worte vertraut und Ware bestellt. Nun breche nach dem wichtigen Weihnachtsgeschäft auch der Winterschlussverkauf im Januar weg. „Die Lager sind aber voll“, sagt Ohlmann. Er erwartet deshalb für den Zeitpunkt, wenn die Läden wieder öffnen dürfen, eine „Rabattschlacht“ in nie dagewesenen Ausmaßes. Das ist gut für die Kunden, aber schlecht für die ohnehin schon gebeutelte Branche.
Bei vielen Einzelhändlern liegen die Nerven blank. Wütend ist Brigitte Meier, Inhaberin des Traditionsgeschäfts Eduard Meier. Sie hat einen Brandbrief geschrieben, in der sie die Öffnung der Geschäfte fordert (siehe Kasten) – die eben keine Infektionstreiber seien.
„Die ganze Situation ist ein Riesenproblem“, sagt auch Wolfgang Fischer vom Verband der Münchner Innenstadt-Geschäfte CityPartner. Denn: Keiner wisse so richtig, wie es weitergeht. Und vor allem nicht, auf welche Hilfe die Betroffenen setzen können. „Viele gehen schon mit ihrem Privatvermögen in den Betrieb“, fügt Ohlmann hinzu. Wut, Frustration und Verzweiflung schlagen ihm von den Verbandsmitgliedern entgegen. „Wir verlieren 150 Millionen Euro Umsatz pro Tag“, rechnet er für ganz Bayern vor. „Das sind seit dem Beginn des harten Lockdowns über eine Milliarde Euro.“ Rund 5000 Geschäfte stünden im Freistaat vor einer Schließung und rund 20 000 Stellen auf der Kippe. Etwa ein Siebtel des bayerischen Handels findet in München statt. „Wenn man so rechnet“, sagt Ohlmann, „muss man um etwa 3000 Arbeitsplätze in der Landeshauptstadt bangen.“
Angesichts dieser Aussichten fordert der Verband mehr Unterstützung von der Politik. Und das auf ganz konkrete Weise. Bei der von der Regierung angebotenen Überbrückungshilfe 3 seien die Hürden für viele Einzelhändler zu hoch. Sie fielen durchs Raster. Ohlmann pocht deshalb auf eine Gleichstellung des Handels mit der Gastronomie, um Überleben zu können. „Das heißt: Auch wir brauchen 75 Prozent vom Umsatz des Vorjahresmonats.“